Für den altehrwürdigen Buchsbaum empfehlen Fachleute eine robuste Alternative: die ähnlich anmutende Japanische Hülse (Ilex crenata)

Statistiken lügen nicht? Ich weiß nicht so recht. Man kann mit ihnen alles und jedes beweisen. Winston Churchill (1874–1965), der bedeutendste britische Staatsmann des letzten Jahrhunderts, ging so weit, dass er nur der Statistik traute, die er selber gefälscht hatte. Vielleicht möchte ich daher also den Zahlen nur zu gern glauben, wonach die Deutschen mit mehr als 18 Milliarden Euro für ihren Garten mindestens so viel wie für Backwaren ausgeben.

Als Gärtner und Fan von Bienenstich bin ich an beiden Statistiken beteiligt – was meine Frau Anke bei Letzterem nicht so gern sieht. Ich tröste sie damit, dass ich die Kalorien dann ja im Garten abarbeite und der Bienenstich ausgesprochen gesund sei. Ihr zuliebe kaufe ich den beim Biobäcker. Er schmeckt auch mindestens so gut wie die herkömmlichen Cremeschnitten – was ich aber nicht gleich zugegeben habe. Aber das ist eine ganz andere Sache.

Stauden und Sträucher sind natürlich auch nicht die neuen Grundnahrungsmittel. Aber es ist eine neue Vielfalt in unsere Gärten eingezogen. Die Menschen bauen Tomaten auf dem Balkon an, junge Leute werfen in Städten Samenbomben auf Grünstreifen, andere entdecken alte Gemüse- oder Obstsorten, legen Heide- und Steingärten an oder pflegen die japanische Gartenkultur. Die einen lieben es eher struppig, andere setzen auf Klassiker wie Stiefmütterchen, von denen auch in diesem Jahr wieder annähernd 300 Millionen Exemplare produziert werden. Auch ich bepflanze einen Kübel damit.

Aber die neuen Gartenfreunde sind auch experimentierfreudiger geworden. Einem Fachgespräch über die vielen Tomatensorten kann ich schon länger nicht mehr folgen. Dafür haben wir etwa zehn verschiedene Arten von Storchschnabel in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland. Es waren mal mehr. Womöglich habe ich es an der richtigen Pflege fehlen lassen, womöglich hat es ihnen nicht so gut gefallen bei uns.

Gärtner waren schon immer neugierig auf Neues. Auf Pflanzen aus aller Welt. Als es das Wort Willkommenskultur noch nicht gab, haben wir schon viele ausprobiert, sind mit ihnen gut Freund geworden. Was ja auch unsere Gartenkultur entscheidend geprägt hat. Erst haben wir Stauden und Gehölze aus aller Herren Ländern in Parks und Botanischen Gärten bewundert, dann fanden sie den Weg in unsere Gärten. Magnolienbäume aus Japan oder China sind schon lange nicht mehr Modegehölze. Schwer en vogue ist die japanische Hülse. Ilex crenata ist bei uns seit dem 18. Jahrhundert bekannt und durchaus beliebt – was man unter anderem daran erkennen kann, dass die Gartenindustrie seitdem zahlreiche Sorten auf den Markt gebracht hat. Im Gegensatz zu einer Verwandten, der heimischen Stechpalme (Ilex aquifolium), wird das Gehölz aus Ostasien nur maximal zwei bis drei Meter hoch. Als Ziergehölz gibt es sie auch in Zwergformen, mit gelben Blättern oder als schmale Säule (Raketen-Ilex).

Einen Boom erlebt Ilex crenata seit einiger Zeit als Ersatz für den heimischen Buchsbaum, dessen Bestände bei uns von einem Pilz (Cylindrocladium buxicola) oder von einer nimmersatten Raupe, dem Buchsbaumzünsler, so dramatisch bedroht werden, dass viele Experten wie die Berliner Gartengestalterin Gabriella Pape den klassischen Buxus sempervirens nicht mehr im Angebot haben und ihren Kunden gleich Ilex crenata als Ersatz empfehlen.

Die japanische Hülse ist nicht nur immun gegen mörderische Pilze und Raupen, sondern hat mit dem Buchs auch vieles gemeinsam. Ihre Blätter sehen nicht nur ähnlich aus, weswegen er schon vorher auch buchsbaumblättrige Hülse genannt wurde. Sie kann zu kleinen und mittelhohen Hecken oder Kugeln geschnitten werden – am besten zweimal im Jahr, jetzt vor dem Austrieb oder im August oder September beim Fruchtansatz. Sie taugt als Beeteinfassung, wird aber nie so dicht wie der Buchsbaum. Gärtner empfehlen für Hecken und Kugeln unter anderem die Sorten „Convexa“, „Dark Green“ und „Dark Star“. Sie wachsen in jedem guten Gartenboden, lieben es wie Rhododendren leicht säuerlich und feucht. Aber bitte keine Staunässe, dagegen sind sie ebenso empfindlich wie gegen zu kalkhaltige Böden.

Die Gartenindustrie will natürlich den Absatz ankurbeln und preist Ilex crenata gern vollmundig als absolut frosthart an und behauptet auch, dass sie in Sonne und Schatten gedeihen. Das stimmt so nicht ganz. In vollem Schatten ist der Wuchs eher schütter. Vor kalten Winden sollte Ilex crenata besser etwas geschützt stehen. Pflanzen kennen wie Menschen die gefühlte Temperatur. Im Wind fühlen sich minus zehn Grad für sie auch schnell wie minus 20 an.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth