1200 Ehrenamtliche des Wetterdienstes schauen sich zurzeit das Wachstum von Frühblühern wie Buschwindröschen an. Die Daten dienen auch der Klimaforschung

„Hat die was?“, fragte meine Frau Anke und beäugte skeptisch die Chinesische Zaubernuss (Hamamelis mollis). Ich hätte sie gern an ihre Ratschläge erinnert, als wir zum Rundgang in unserem kleinen Mühlenpark aufgebrochen waren. „Vergiss den Schal nicht“, hatte sie gemahnt, „es ist sehr kalt.“ Natürlich vergaß sie auch nicht den Hinweis auf Mütze und Handschuhe. Ich brummelte noch etwas wie „sind ja nur zwei Grad unter null“ und ging schon mal raus. Mit Schal. Mit Mütze. Handschuhe? Habe ich fast immer an, wenn ich in den Garten gehe – sogar im Sommer. Man weiß ja nie. Es gibt immer was zu zupfen oder rauszureißen.

„Wir haben Winter“, versuchte ich eine Erklärung dafür, dass sich die Zaubernuss in diesem Jahr so viel Zeit ließ mit dem Blühen. Winter, wie er früher mal war. Mit Schnee und Dauerfrost. Nicht extrem viel, aber dafür ziemlich lange.

Ich habe dann doch noch vier kleine Blüten entdeckt. Später, nach einem Kaffee bei unserer Nachbarin Andrea, haben wir uns ihre Zaubernuss angeschaut. Die hatte zwar deutlich mehr Blüten, aber alle nur zur Südseite. Die Hamamelis in ihrem Garten stand – anders als unsere – sehr geschützt vor kalten Winden. Habe ich schon mal erwähnt, dass meine Frau anderen Gärtnerinnen mehr vertraut als ihrem eigenen Mann? Der Prophet gilt bekanntlich nichts im eigenen Garten. Erst als ­Andrea versicherte, dass sogar von Schneeglöckchen, von denen sich im vergangenen Jahr die ersten schon Mitte Januar gezeigt hatten, noch immer nichts zu sehen sei, war Anke beruhigt.

Ich wollte es sogar amtlich. Sozusagen wissenschaftlich bewiesen. Anruf bei Anja Engels. Sie ist gelernte Landwirtschaftlich-technische Assistentin (LTA) und hat beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach den Überblick über die Meldungen der etwa 1200 phänologischen Beobachter, die für den DWD in ganz Deutschland über das Jahr bei ausgewählten Bäumen, Sträuchern und Stauden Blattentwicklung, Blüte, Fruchtreife und Laubverfärbung verfolgen. Bei landwirtschaftlichen Kulturpflanzen wie Weizen, Rüben oder Raps werden auch Daten zur Bestellung erhoben. Die Pflanzenphänologie liefert damit wertvolle Daten für die Klimaforschung, die Agrar- und Forstwirtschaft und den Pollendienst für Allergiker. An manchen Standorten werden schon seit Jahrzehnten Daten erhoben.

Pflanzenbeobachter sind Idealisten und Naturliebhaber, die ihren Job ehrenamtlich machen und lediglich eine Aufwandsentschädigung von 230 Euro bekommen – für etwa 200 Stunden Arbeit. Da wundert es kaum, dass der DWD laufend Nachwuchs braucht. In Hamburg wird gerade dringend jemand für Langenhorn gesucht.

Sieben Tage ist die Natur in Deutschland gegenüber dem langjährigen Mittel zurück. Von Hasel und Erle, die für uns den Vorfrühling und für gefährdete Menschen die Allergiesaison einläuten, hat Frau Engel erste Meldungen. Wobei man wissen muss, dass es ein deutliches Süd-Nord-Gefälle gibt. Wenn die Schneeglöckchen in milden Weinbaugebieten schon blühen, muss das für Norddeutschland nichts bedeuten. Bei uns im Mühlenpark tut sich nämlich auch noch gar nichts. Weder bei der Hasel noch bei Galanthus nivalis. Mit dem Narzissengewächs beginnt bei uns der Vorfrühling, der in „normalen“ Jahren von Mitte Februar bis Mitte März geht – wobei im vergangenen milden Winter die Schneeglöckchen bei uns schon Ende Januar blühten.

Die Pflanzenphänologie kennt nicht wie der Kalender vier, sondern zehn Jahreszeiten. Es gibt etwa den Vor-, den Erst- und den Vollfrühling. Huflattich und Buschwindröschen sind zum Beispiel Zeigepflanzen für den Erstfrühling ab Mitte März. Anfangs habe ich im Huflattich mit seinen gelben Blüten nur ein Unkraut gesehen. Seit ich weiß, dass er seit der Antike die Basis für Hustenmittel ist, passe ich nur noch auf, dass das Wildkraut sich nicht zu sehr ausbreitet.

Buschwindröschen dagegen habe ich gezielt in Wildhecken angepflanzt. Erst nur die Wildform von Anemone nemerosa, die sich zunächst gar nicht über ihre unterirdischen Rhizome ausbreiten wollte, bis ich sie bis zum Sommer häufiger wässerte. Danach ziehen die Pflanzen ihre Blätter ein und kommen auch mit trockenem Boden klar. Erst als ich sie auch noch leicht mit Kalk düngte, blühten und vermehrten sie sich zuverlässig. Wer auch noch das Waldwindröschen (Anemone sylvestris) ansiedelt, hat Blüten von Ende April bis in den Mai. Ich habe im Herbst noch Zuchtformen wie Robinsoniana gepflanzt, die vor mehr als 100 Jahren im Botanischen Garten von Oxford entdeckt wurde. Sie blüht lila. Ich bin gespannt,

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth