Taxus baccata „Fastigiata Aureomarginata“ ist mein ganzer Stolz. Doch nach Schneebruch sieht sie ziemlich traurig aus. Irgendwas geht da vor ...

Das Problem mit dem Glück ist, dass niemand wirklich weiß, was es ist. Für den großen Philosophen der Antike, Aristoteles (385 v. Chr.–323 v. Chr.), war es die Politik. Der konnte allerdings noch nichts von einem amerikanischen Präsidenten namens Donald Trump wissen, dessen Politik mich nun wirklich nicht sehr glücklich macht. Der Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke (1929–2005) war nach eigener Aussage dann am glücklichsten, wenn er nichts zu tun und leicht einen sitzen hatte.

Ich habe mir neulich gleich zwei Schnäpse auf einmal gegönnt. Schien bitter nötig – und war danach trotzdem kein bisschen glücklicher. Schneebruch in unserem kleinen Mühlenpark. Gleich mehrfach. Der schlimmste Fall: ein alter Fliederbusch. Weil er mit den Jahren immer mehr in den Schatten von Bäumen geriet, hatten sich drei von den vier Grundstämmen flacher werdend zum Licht gestreckt. Eine wunderbar bizarre, weit ausladende Form war dadurch entstanden. Dann hatte sich nasser, pappiger Schnee schwer auf die Zweige gelegt. Später war er dann wohl noch zu Eis gefroren. Wie Streichhölzer waren die Stämme, obschon fast zehn Zentimeter dick, unter der Last zusammengebrochen.

Wer denkt an so was? 14 Tage waren wir nicht auf der Mühle gewesen. Im Sommer fragt man sich ja: „Und wer gießt bei mir?“ Aber im Winter? Das war mir dann doch zu dumm gewesen, Nachbarn zu bitten, Schnee von Gehölzen zu schütteln. Das bisschen Schnee könne doch wohl nicht so schlimm sein. Meint auch meine Frau Anke, wenn wir nach dem ersten Schneefall einen Spaziergang durch unseren Mini-Park machen. „Als wenn die Buchsbaumkugeln Mützchen hätten“, staunt sie jedes Mal – und schüttelt den Kopf, wenn ich das Gehölz von der weißen Pracht „befreie“. Ich mache das, weil mir gleich zu Anfang meines Gärtnerlebens vor 20 Jahren die Last des Schnees einige Buchsbaumkugeln fast zerlegt hatte. Was gerade noch so malerisch aussieht, kann über Nacht beim nächsten Schneeschauer das Ergebnis von jahrelangem Schnitt zerstören.

Dass Schneebruch aus einer Hemlocktanne einen fast armdicken Zweig einfach so direkt am Stamm abgerissen hat, kann ich verschmerzen. Die Tsuga canadensis war so dicht gewachsen, da fällt das kaum auf. Ausgesprochen traurig sah dagegen eine Säuleneibe aus, die mein ganzer Stolz ist. Ich habe sie vor fast 20 Jahren gepflanzt – als eines der ersten Gehölze. Anke hatte ihrem Gärtner-Gatten zum Geburtstag die Eibe geschenkt. Ich glaube, sie hat damals gut 200 Mark für den Taxus baccata „Fastigiata Aureomarginata“ bezahlt. Sie war über einen Meter groß – und ich war gleich verliebt in die Zuchtform der europäischen Eibe. Im Frühjahr, wenn sie austreibt, glänzen die Triebe goldgelb in der Sonne.

Mittlerweile ist sie knapp vier Meter hoch – und bot nach dem Schneebruch einen traurigen Anblick. Vier kräftige Triebe, mehr als mannshoch, ragten seitlich ab. Einer lag fast am Boden und war angebrochen. Den habe ich abgeschnitten, die restlichen drei erst einmal aufgerichtet und notdürftig mit Hanfseil mit den restlichen Stämmen verbunden. Einige kleinere Zweige, die fast waagerecht abstanden wie sogenannte Hexenreiser, habe ich auch gleich abgeschnitten.

Was soll ich sagen? Dass ich nie mehr im Winter verreise, wenn Schneefall droht? Das kann ich meiner Frau nicht antun. Ich werde im Frühjahr die einzelnen Stämmchen in etwa zweieinhalb Meter Höhe so zusammenbinden, dass sie so schnell nicht wieder aus­einanderfallen können. Und ich werde genau schauen, ob es außer Schneebruch noch eine andere Ursache für das Aus­einanderbrechen gegeben haben könnte.

Hatte womöglich eine hormonelle Veränderung die Standfestigkeit beeinträchtigt? Wird aus meiner eindeutig männlichen Eibe ein Transgender-Baum, der sein Geschlecht wechselt? Vom Mann mit kleinem grünen Zapfen zur Frau mit roten Samenkugeln? Bei Europas ältester Eibe, die in der schottischen Grafschaft Perthshire steht, hat das jetzt ein Botaniker festgestellt. Übrigens sehr zur Freude der britischen Transgender-Gemeinde, welche die Geschlechtsumwandlung der Uralt-Eibe auf Twitter so begrüßte: „Gut gemacht. Alter Junge.“

Allerdings ist der Baum geschätzte 5000 Jahre alt, hat schon die Kelten erlebt – jene Vorfahren der Schotten, die noch keine Röcke trugen. Sie hat auch den Kahlschlag im Mittelalter überlebt, als in weiten Teilen Europas die Eiben auszusterben drohten; die britische Rüstungsindustrie brauchte unermüdlich Nachschub für die Produktion von Langbögen – jene gefürchtete Distanzwaffe vor der Erfindung des Schießpulvers und damit der Artillerie.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth