Anfänger sind gut beraten, Storchschnäbel zu pflanzen. Sie sind genügsam, verzeihen Fehler, und selbst Frost macht diesem Geranium nichts aus

Den Briten wird eine zutiefst emotionale, ja fast obsessive Beziehung zu ihren Gärten nachgesagt – weswegen England auch als das Mutterland des Gärtnerwesens gilt. Mutterland? Genau! Das spleenige Inselvölkchen ist nicht umsonst berühmt für seine Gärtnerinnen wie Vita Sackville-West, Gertrude Jekyll oder Beth Chatto. Meine Lieblingsgärtnerin ist Margery Fish (1893–1966). Das liegt, womöglich, daran, dass sie auch aus dem Zeitungswesen kommt. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass sie erst spät die Liebe zum Gärtnern entdeckte.

Nach einem Deutschlandbesuch waren Margery und ihr Mann Walter überzeugt, dass es zum Krieg kommen würde, und zogen 1938 von London aufs Land. Margery war 45 Jahre alt, hatte keine Ahnung, was ein grüner Daumen ist, aber plötzlich ein großes Grundstück. Ich war über 50, und mein Gartenwissen war auch gleich null, als ich unsere kleine Mühle im Wendland kaufte. So etwas verbindet. Ich fürchtete allerdings keinen Krieg, wollte nur am Wochenende meine Ruhe. Ansonsten trennen uns ganze Gärtnerwelten – und der kleine Mühlenpark, den meine Frau Anke und ich anlegt haben, ist natürlich höchstens ein netter Versuch im Vergleich mit dem weltberühmten Garten von Lambrook Manor der Eheleute Fish im Süden Englands.

Aber wir hatten ein paar Lieblingspflanzen gemeinsam. Tränendes Herz, Schnee- und Maiglöckchen, Geflecktes Lungenkraut, Wollziest und Frauenmantel zum Beispiel – alles einfache, pflegeleichte Pflanzen. Und ohne es zu wissen, hatte ich einen grundlegenden Rat von ihr befolgt: „Wenn Sie sich nicht sicher sind, nehmen Sie ein Geranium.“ Storchschnabel also, wie die deutsche Bezeichnung für die weltweit über 400 Arten der gleichnamigen Pflanzenfamilie ist.

Jakob Augstein, Journalist und Spiegel-Erbe mit Villengrundstück im vornehmen Berliner Stadtteil Grunewald, ist in seinem Bestseller „Die Tage des Gärtners“ geradezu enthusiasmiert von Geranien. Er glaubt, selbst wenn man nicht viel Ahnung vom Gärtnern habe, seien die Pflanzen nicht kleinzukriegen – wenn man sich nur an die Pflanzvorschriften halte und sie ausreichend wässere und dünge. Vorausgesetzt natürlich, man pflanzt Storchschnäbel und nicht Pelargonien, wie die überreich blühenden und im Volksmund fälschlicherweise als Geranien bezeichneten Balkonpflanzen heißen. Letztere stammen aus Südafrika und erfrieren im Gegensatz zum echten Geranium beim ersten Frost.

Es gibt kaum einen Boden, auf dem Storchschnäbel nicht wachsen, je nach Art und Sorte in voller Sonne, Halb- oder sogar Vollschatten. Die meisten blühen im April und Mai, manche bis Juni und August, einzelne Arten sogar bis November – in Farben von Weiß über verschiedene Rottöne und sogar Blau. Acht bis zehn Pflanzen auf einem Quadratmeter ergeben schon im ersten Pflanzjahr einen dichten Teppich, der kaum noch Unkraut durchlässt. Bei uns hat sich die Sorte Ingwersen, die hellrosa blüht, auch als Bodendecker im Rosenbeet bewährt. Wie Spessart blüht sie allerdings nur von Mai bis Juni. Gute Erfahrungen haben wir auch mit Bevan und Czakor gemacht, die auch etwa 30 Zentimeter hoch werden, aber auch im trockenen Schatten unter Bäumen gut wachsen. Vollen Schatten vertragen auch Züchtungen von Geranium nodosum, die nicht sehr blühwillig sind, aber dafür sogar starken Wurzeldruck unter Koniferen vertragen.

Von Mai bis August etwa blühen Geranium saguineum Max Frei und Apfelblüte, die aber nicht so viel Schatten vertragen. Auch sie kann man nach der Blüte – hellrosa von Juni bis August – stark zurückschneiden. Mit etwas Glück gibt es dann sogar eine Nachblüte. Alle Storchschnabel-Arten bilden Polster. Einige Arten breiten sich mit der Zeit sogar stärker aus. Die unterirdischen Rhizome lassen sich leicht ausgraben, teilen und an anderer Stelle wieder neu pflanzen. Die Blätter der Storchschnäbel werden von Schnecken gemieden, weil die sich für die Schleimer rau anfühlen. Das Blattwerk verbreitet, je nach Sorte, einen aromatischen Duft. Auf der Rückfahrt vom Gartencenter sollte man besser nicht in eine Polizeikontrolle kommen. Angeblich sind schon Leute zum Drogentest gebeten worden.

In einen Kübel kommt bei uns in diesem Jahr ein Exemplar von Geranium wallichianum, Rozanne – eine stark wachsende Sorte, für die man im Beet nur eine Pflanze pro Quadratmeter braucht. Rozanne kann gut einen halben Meter hoch und doppelt so breit werden. Sie blüht von Mai bis November in einem strahlenden Hellblau. In einer Blumenampel kann sie wegen ihres überhängenden Wuchses geradezu sensationell aussehen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth.