Verstorbenen Freunden und Nachbarn zum Gedenken pflanze ich gern einen Baum. Ich glaube, das hätte ihnen gefallen. Eine Blutbuche wäre auch nicht schlecht ...

Wird unser Mini-Park im Wendland mal zu einem Gedenkwäldchen? Vielleicht eine gar nicht mal so schlechte Idee, fand ich, als ich diese Woche spontan eine Säuleneibe pflanzte – in Erinnerung an unseren Freund Klaus, 74, der nach langem Kampf gegen den Krebs gestorben war. „Niemals geht man so ganz, ein Stück von dir bleibt hier“, hatte BAP-Sänger Wolfgang Niedecken einmal zum Abschied der Kölner Volksschauspielerin Trude Herr gesungen. Im Rheinland ist das Lied längst zu einer Art Abschiedshymne geworden. Ich summte die Melodie leise, als ich die Pflanzgrube aushob. Ich glaube, Klaus hätte das gefallen.

Der war natürlich kein geborener Wendländer, wie die meisten seiner Freunde im Wendland, die der große Menschenfänger – eine Art Impresario fürs Leben – noch einmal um sich gesammelt hatte. Er stammte aus einer Bauernfamilie in der Eifel und hatte den größten Teil seines Lebens in Köln verbracht. Als umtriebiger Sport-Promoter war er beim Aufstieg des Eishockeyclubs Kölner Haie dabei, verschaffte der jungen Steffi Graf die ersten großen Werbeverträge, etwa mit dem Nudelhersteller Barilla, und sammelte später Sponsoren, als Udo Lindenberg für die Aktion „Rock gegen Rechts“ Geldgeber brauchte. Kurz nach der Jahrtausendwende begleitete er den Rockbarden, als der im Wendland alte Freunde wie die früheren „Stern“-Autoren Kai Hermann („Die Kinder vom Bahnhof Zoo“) und Heiko Gebhardt („Du armer Hund“) besuchte. Das Wendland sollte seine letzte Liebe sein. Hier, so fand er, wollte er noch einmal Wurzeln schlagen. Zusammen mit Susanne, seiner großen Liebe und Lebensgefährtin.

Nun hat er also seine letzte Ruhe gefunden, auf dem Elbfriedhof in Damnatz unter jahrhundertealten Eichen. Hier ist auch der Schriftsteller Nicolas Born begraben, dessen Bestseller „Die Fälschung“ von Volker Schlöndorff verfilmt wurde. Kai Hermann und seine Erlebnisse im Beirut der Bürgerkriegswirren waren übrigens Vorbild für den Roman. Hermann hat sich auch in Damnatz bereits eine Grabstelle reservieren lassen – wie sein alter Kumpel Gebhardt.

Ich bin, offen gesagt, noch nicht so weit. Die Säuleneibe, die ich für Klaus gepflanzt habe, kann jahrhundertealt werden. Der erste Baum, den ich vor 18 Jahren in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland pflanzte, war eine Blutbuche. Genauer gesagt ein Heister. So heißen junge, meist in Baumschulen gezogene, jedoch bereits zweimal verpflanzte 1,25 bis 2,5 Meter hohe Gehölze mit seitlichen Ästen, mit einem Leittrieb, aber noch ohne Krone. Zusammen mit meinem Vater hatte ich 40 Jahre zuvor im Garten meiner Eltern den ersten Baum meines Lebens gepflanzt. Richtig, eine Blutbuche, mittlerweile mächtig groß und so etwas wie ein Wahrzeichen der Reihenhaus-Siedlung im Münsterland. Weil sie aber auch wunderbar anzusehen ist, erdulden die Nachbarn, wenn auch manchmal fluchend, den Laubfall im Herbst.

So groß ist unsere Blutbuche natürlich noch nicht, obwohl Fagus sylvatica f. purpurea, so ihr lateinischer Name, zu den schnell wachsenden Gehölzen gehört und gut 40 Meter Höhe erreichen kann. Meine Frau Anke schätzt unsere Blutbuche auf „mindestens zehn Meter“. Ich glaube, sie übertreibt da ein wenig, weil sie weiß, wie sehr ich an der Buche hänge, sie immer gut wässere und regelmäßig dünge – bis an den Rand des Kronenbereichs, wo die feinen Wurzeln sind, welche die Nährstoffe besonders gut aufnehmen.

Eine solche Vorzugsbehandlung erfährt auch die Mirabelle, die ich am Pumpenhäuschen gepflanzt habe – in Erinnerung an meinen Freund und Nachbarn Walter. Am Pumpenhäuschen haben Walter und ich manches Feierabendbier getrunken, oft mit den anderen Bauern des Dorfes, die sich dort, wenn die Felder im Sommer beregnet werden mussten, zwangsläufig trafen. Von dem Landwirt und passionierten Jäger hatte ich nicht nur viel über Hasen, Igel und Vögel in unserem kleinen Park gelernt, sondern vor allem über das Leben auf dem Lande. Etwa, dass es Regeln gibt, aber jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll. Er war das Herz des Dorfes, an dessen Rand unsere alte Mühle steht, die mal seiner Familie gehört hatte. Ihm und seinem Sohn Peter verdanken Anke und ich, dass wir so schnell in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wurden.

Von ihm habe ich auch den Tipp mit der Mirabelle, der kleinen Schwester unserer Hauspflaume. Extrem lecker und erst im 16. Jahrhundert über Persien aus dem fernen Asien eingewandert. Die kleinen gelben Früchte von Prunus domestica subsp. syriaca sind die kleinsten Pflaumen. Sie schmecken am besten frisch vom Baum – oder als Marmelade oder als Likör. Letzteres gefiel Walter ganz besonders.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth