Ausbildungsmarkt im Wandel: Schulabgänger können ihren Lehrbetrieb heute aussuchen. Ein neuer Wettbewerb bietet Orientierung

Ob Technik-Tag, Girls' Day, Job- und Orientierungs-Messen, Infotage an Hochschulen oder Schnuppertage in Firmen - immer mehr Unternehmen lassen sich etwas einfallen, um junge Menschen möglichst frühzeitig für sich zu gewinnen. Denn eine Flut von Initiativ-Bewerbungen gibt es nicht mehr. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich gewandelt.

"Wir haben viele Jahre lang darum gerungen, dass jeder Azubi eine Lehrstelle bekommt", sagte Wilhelm Alms, Vorsitzender des Beirats des IMWF Institut für Management und Wirtschaftsforschung, anlässlich der Ehrung von Hamburgs besten Ausbildungsbetrieben am Mittwochabend im Verlagshaus Axel Springer. "Das Thema ist im positiven Sinne gekippt. Wir werden uns in Zukunft sehr anstrengen müssen, damit Firmen attraktiv genug erscheinen." Durch die geburtenschwachen Jahrgänge fehlen Unternehmen junge Bewerber. Lehrstellen bleiben vermehrt unbesetzt, die Betriebe klagen immer häufiger über nicht ausreichend qualifizierte Bewerbungen. Eine Orientierungsmöglichkeit für junge Menschen sind Wettbewerbe und Gütesiegel, die ihnen dabei helfen, das jeweilige Unternehmen und dessen Ausbildungsgüte einzuordnen. Das bestätigt Daniel Krohn, Auszubildender bei der HanseMerkur Versicherungsgruppe, der für seine Bewerbungen im Internet recherchierte und dabei auf den Ausbildungs-Grammy seines späteren Lehrbetriebs stieß.

Der neue Wettbewerb "Hamburgs beste Ausbildungsbetriebe" dient Schulabgängern als weitere Orientierungshilfe. Dieser Wettbewerb, für den das Hamburger Abendblatt als Medienpartner auftritt, basiert auf einer Befragung von Ausbildern und Auszubildenden der beteiligten Unternehmen.

Für die wissenschaftliche Umsetzung ist Prof. Dr. Werner Sarges von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg verantwortlich, den Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Abendblatts, bei der Preisverleihung als "Deutschlands führenden Personaldiagnostiker" bezeichnete. Sarges setzt ein innovatives, wissenschaftlich fundiertes Konzept ein, das Vergleiche über verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen hinweg erlaubt. Darüber hinaus kann mit der Methode ein detailliertes Stärken- und Schwächenprofil erstellt werden, das für die unternehmensinterne Personalpolitik von großer Bedeutung ist.

Die bestplatzierten Unternehmen wurden bei der Preisverleihung mit dem Gütesiegel "Hamburgs beste Ausbildungsbetriebe 2012" prämiert. Die höchste Kategorie mit fünf Sternen erreichten sechs Firmen. Vordere Plätze belegen in dem Wettbewerb namhafte Unternehmen wie die HanseMerkur Versicherungsgruppe, Hauni Maschinenbau, Still, Philips Deutschland sowie die Hamburger Volksbank und die PSD Bank Nord.

Der Mangel an jungen Bewerbern werde zunehmend ein Wirtschaftsthema werden, da er sich in den kommenden Jahren noch verschärfen werde, sagte Fin Mohaupt, Leiter der Abteilung Aus- und Weiterbildungsberatung der Handelskammer Hamburg. "Der Vorteil für junge Menschen ist, dass die Auswahlmöglichkeit für sie größer wird. Sie können sich schon heute in vielen Branchen das für sie attraktivste Ausbildungsunternehmen aussuchen."

Diese Entwicklung berge jedoch Gefahren. "Dadurch wird es nicht einfacher für die Schulabgänger. Die ganze Bandbreite zwischen Superstar und Absturz ist für die jungen Menschen heute möglich", sagte Mohaupt. Somit nehme für junge Menschen die Pflicht, sich zu informieren und frühzeitig zu orientieren, zu. "Das bedeutet andererseits: Mehr Orientierungshilfe ist nötig, denn der Markt gibt nichts mehr vor."

Derzeit stehen laut Handelskammer Hamburg für den Ausbildungsbeginn am 1. August Schülern immer noch 1532 Lehrstellen zur Verfügung. Darunter sind 262 im Einzelhandel, 201 im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie 309 für beratende Dienstleistungen und 96 in der Medienwirtschaft. "Aus den Gesprächen mit den Wettbewerbsteilnehmern wissen wir, dass sich seit Beginn des Jahres die Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen, bei Hamburger Unternehmen nochmals deutlich verschärft haben", sagte Jörg Forthmann, Geschäftsführer der den Wettbewerb organisierenden Agentur Faktenkontor.

Ursache sei neben sinkenden Schulabgängerzahlen auch die florierende Wirtschaft. Je nach Branche haben bis zu zwei Drittel der Betriebe Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden. Vier von fünf Betrieben klagen über Probleme, überhaupt ausreichend Bewerbungen zu erhalten. Der Wettbewerb um passende Mitarbeiter und Auszubildende nimmt daher deutlich zu. Am stärksten spüren das die kleinen und mittelständischen Betriebe ohne zugkräftigen Markennamen.

"Wenn eine Firma vor wenigen Jahren noch 30 Bewerbungen auf eine Lehrstelle erhalten hat, sind es heute oftmals nur noch drei. Deshalb muss, wer gute Auszubildende für seinen Betrieb gewinnen will, offensiv auf sich als attraktiver Arbeitgeber aufmerksam machen", sagt Forthmann. Das Gütesiegel "Hamburgs beste Ausbildungsbetriebe" trägt dazu bei.

Es unterstützt zudem Unternehmen bei ihrem Arbeitgeber-Marketing sowie bei der Personalentwicklung und wählt dabei ganz bewusst einen regionalen Fokus. An dem Wettbewerb konnten sich alle Ausbildungsbetriebe aus der Metropolregion unabhängig von ihrer Größe und Branche beteiligen.

Alle teilnehmenden Firmen profitieren in zweifacher Hinsicht. Die Auszeichnung hilft den Personalverantwortlichen bei der Rekrutierung neuer Auszubildender und kann zudem für eigene Zwecke eingesetzt werden.

"Der Betrieb kann damit bei Bewerbern, eigenen Mitarbeitern und Kunden punkten", sagte Forthmann. Überdies ergäben sich durch das Benchmarking mit anderen Unternehmen und die individuelle Rückmeldung durch die beteiligten Wissenschaftler für das eigene Haus wertvolle Hinweise für eine verbesserte interne Personalentwicklung.

"In Zukunft rückt die Qualität der Ausbildung vermehrt in den Vordergrund", sagt Fin Mohaupt von der Handelskammer. "Sie wird Unterscheidungsmerkmal für die Unternehmen sein." Die Azubis der gekürten Firmen gaben in der Befragung an, sie würden gut gefördert und seien stolz, Mitarbeiter ihres Unternehmens zu sein.

Da mittelfristig in Hamburg 100 000 Fachkräfte fehlen werden, gehe es darum, die besten Köpfe zu finden und im Unternehmen weiterzuentwickeln, sagte Matthias Iken bei der Preisverleihung zu den Teilnehmern, "aber wer kann das besser als Sie. Das haben Sie bereits mit Ihrer Bewerbung zu diesem Wettbewerb bewiesen."