Auch in Mönchengladbach darf Jaroslav Drobny heute Abend (20 Uhr) wieder das HSV-Tor hüten. Ex-Nationaltorwart René Adler reagiert gefrustet

Torhüter und Linksaußen, so heißt es doch immer, müssen verrückt sein. Der ehemalige Fußballtrainer Max Merkel, selbst nicht ganz unverdächtig, hat das im Mai 1970 behauptet, als er über das Thema „Spieler-Typologie“ referieren sollte. Und obwohl die vage Behauptung wissenschaftlich nie untermauert wurde, hat beim HSV zumindest für die Spezies Torhüter niemand je widersprochen. Rudi Kargus hatte eine kleine Macke. Uli Stein natürlich, und auch Frank Rost. Der verrückteste von allen, da waren sich die Hamburger bislang immer einig, sollte aber Jaroslav Drobny sein.

Das war einmal. Beim Abschlusstraining vor dem Auswärtsspiel in Mönchengladbach (20 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) war es René Adler, in Sachen Verrücktheiten bislang völlig unverdächtig, der die Grenze zum Wahnsinn erstmals überschritt. Passiert war es beim Schusstraining, als Adler zunächst die Bälle um die Ohren sausten und er seinen Frust schließlich mit einem Tim-Wiese-Kung-Fu-Tritt an Stürmer Artjoms Rudnevs abließ. „Der muss verrückt sein“, sagte ein Zuschauer, der über die weiße Plane lugte.

Verrückt wahrscheinlich nur bedingt, gefrustet aber auf jeden Fall.

Und der angeblich verrückte Drobny, der aus dem Wintertrainingslager in Indonesien zum Andenken einen Schlagstock mit nach Hamburg brachte? Verzog keine Miene, stellte sich ins Tor und ließ keinen Ball mehr rein. Auch als alle anderen längst in der Kabine waren, ließ Drobny nicht locker und schob noch eine Sonderschicht mit Torwarttrainer Stefan Wächter nach.

Die Rollen im HSV-Tor wurden getauscht. Nicht zwischen verrückt und nicht verrückt, sondern vor allem zwischen Nummer eins und Nummer zwei.

„Jaro muss nur gut spielen. Wenn er gut spielt, dann wird sich alles andere von alleine ergeben“, beantwortete Neu-Trainer Josef Zinnbauer die Frage, ob nun Drobny auch ganz offiziell seine neue Nummer eins sei, ausweichend. Dabei hat sich Zinnbauer längst festgelegt: Drobny bleibt die Nummer eins, Adler ist nur noch Herausforderer. Entschieden hätte das vor allem Torwarttrainer Wächter, sagt Zinnbauer.

„Jaro ist erfahren genug, um zu wissen, was zu tun ist“, erklärt Wächter kurz und knapp. Dabei ist ja auch klar, was zu tun ist: Drobny muss Bälle halten. So wie beim 0:0 gegen Bayern. Oder wie in den beiden Relegationsspielen gegen Fürth im Mai, als der HSV direkt am Abgrund stand und nur deshalb nicht in die Tiefe stolperte, weil eben jener Drobny innerhalb von 180 Minuten lediglich einmal bezwungen wurde. Und Adler, noch vor kurzem Deutschlands Nummer zwei? Der konnte damals wie heute nur zuschauen.

„Jaroslav Drobny war maßgeblich daran beteiligt, dass wir uns gerade noch so retten konnten. Er hat sich seine Chance redlich verdient, nun wieder im Tor zu stehen“, sagt Präsident Carl Jarchow, der beim Rückspiel in Fürth „so angespannt wie noch nie in meinem Leben zuvor“ war. Nur Drobny, der den am Rücken verletzten Adler in den Entscheidungsspielen vertrat, blieb cool.

Richtig cool war Drobny auch auf dem anschließenden Charterflug von Nürnberg zurück nach Hamburg. Der Tscheche, in der Mannschaft ohnehin als Spaßvogel bekannt und beliebt, schnappte sich das Bordmikrofon und unterhielt eine Dreiviertelstunde lang die erleichterte Reisegesellschaft. „Drobo ist positiv verrückt“, sagt Jarchow, der aus eigener Erfahrung weiß, dass der HSV-Kassenwart nur beim Thema Geld keinen Spaß mehr versteht. Als Jarchows Handy einmal im Essensraum klingelte, musste auch er zahlen: 250 Euro in die Mannschaftskasse.

Drobnys Qualitäten als Geldeintreiber sind derzeit allerdings weniger entscheidend. „Jaro hat schon viel mitgemacht“, sagt HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer, als er zum Torwartwechsel befragt wurde: „Er hat das gegen Bayern sehr gut gemacht. Drobo hat Erfahrung und strahlt Ruhe aus.“

Diese Ruhe war Adler in der vergangenen Saison abhanden gekommen. Auf dem Platz patzte der frühere Leverkusener wie noch nie. Und abseits des Platzes überwarf sich der Ex-Nationalkeeper sowohl mit Trainer Thorsten Fink als auch später mit Nachnachfolger Mirko Slomka. Dieser wollte Adler sogar schon im Sommer verkaufen. Nach den drei Gegentoren beim 0:3 gegen Paderborn, als Adler bei keinem der Treffer eine Schuld traf, sah Slomka schließlich die Chance zum Wechsel gekommen. Er brauche echte Typen, erklärte Zinnbauers Vorgänger – und schmiss Adler aus der Startelf.

Ein Spiel später wurde Slomka selbst rausgeworfen. Doch überraschenderweise setzte auch Nachfolger Zinnbauer auf Drobny als Nummer eins. „Es ist nicht so, dass einer immer festgespielt ist bei mir“, sagt Zinnbauer zwar. Doch niemand glaubt ernsthaft daran, dass der 44-Jährige ohne Grund erneut den Torhüter wechselt. „Bei Torhütern ist es ja etwas speziell. Als Torwart ist man entweder drin oder draußen“, sagt Beiersdorfer. Drobny oder Adler – es kann nur einen geben.

Wäre es nach dem alten Aufsichtsrat gegangenen, dann hätte es tatsächlich nur noch einen gegeben: Adler. Denn als Drobnys Vertrag als Ersatztorhüter verlängert werden sollte, legten die Kontrolleure ihr Veto ein. Erst als Drobny auf den zunächst zugesicherten Passus verzichtete, nach der aktiven Karriere als Torwarttrainer beim HSV einzusteigen, wurde der 900.000 Euro wertvolle Kontrakt abgesegnet. Doch im Sommer läuft nun auch dieser Vertrag aus. Seine A-Lizenz als Trainer hat der mittlerweile 34 Jahre alte Tscheche längst absolviert. Zu gerne würde man ihn nun also fragen, ob er noch ein Jahr als Torhüter dranhängt oder wirklich ins Trainergeschäft einsteigt. Doch der eigenwillige Drobny redet nicht mit Journalisten – auch nicht als Nummer eins: „Ich bin doch nicht verrückt.“