Die Profis von heute sollten sich die HSV-Legende zum Vorbild nehmen. So wie er müssen sich Sportler gegenüber den Fans verhalten

„Ich steh im Regen und warte auf dich.“ Dieses Liedchen, das 1937 von Zarah Leander erstmals gesungen wurde, hätte in dieser Woche auch Ilka Seeler trällern können – nach der HSV-Familienfeier im Volkspark, als am Uwe-Seeler-XXL-Fuß die Erweiterung des „HSV-Walk of Fame“ stattgefunden hatte. Die Familie Seeler, fast vollständig versammelt, wollte sich auf den Heimweg begeben, Ilka Seeler und Schwägerin Gertrud (genannt „Purzel“) gingen schon mal vor – doch „uns Uwe“ ließ auf sich warten. Er gab noch Interviews, und er schrieb und schrieb und schrieb Autogramme. Inzwischen hatte es zu regnen angefangen, beide Damen wurden nass, aber einen Schirm lehnten sie ab: „Wir kennen das doch, wir sind Kummer gewöhnt, irgendwann wird Uwe schon kommen.“

Es ist schon phänomenal. Das deutsche Mittelstürmeridol wird in diesem Jahr 78 Jahre jung, die Autogrammjäger von heute haben ihn, wenn überhaupt, nur auf alten Filmen im Fernsehen stürmen gesehen, und dennoch ist seine Unterschrift immer noch so begehrt wie zu seinen besten Zeiten. Und noch eines ist phänomenal: Seelers Geduld. Autogrammjäger würde er nie im Regen stehen lassen...

„Uwe schreibt wie der Teufel, deswegen haben wir früher öfter mal fast das Flugzeug verpasst. Aber so sind die ganz Großen, die wissen genau, dass ihre Popularität auch ihren Preis hat“, hat Uwes Freund und HSV-Weggefährte Harry Bähre, der Bundesliga-Profi mit dem Spielerpass Nummer eins, einst gesagt. Überall dort, wo etwas los ist im deutschen Fußball, werden Promis wie Franz Beckenbauer, Günter Netzer und Uwe Seeler dazugebeten. Weil sie sich höchst selten einmal ihren Anhängern verweigern. Das ist die berühmte Sache mit dem Nehmen und Geben. Und genau daran sollten auch die Stars von heute immer wieder einmal denken – oder erinnert werden. Es gab und gibt im Hamburger Fußball Spieler, für die es einfach nur lästig war und ist, Autogramme zu schreiben oder vielleicht auf die Schnelle mal ein kurzes Gespräch mit dem Volke zu führen. Die Profis aber, die nicht vergessen haben, dass auch sie einst von ganz unten ihren Weg nach oben angetreten haben, die werden ganz sicher nicht vergessen.

So wie am vergangenen Sonntag, als ARD-Moderator Reinhold Beckmann zum Spiel und zur Nacht der Legenden eingeladen hatte. Es wurde in der Tat legendär, und es waren überwiegend nur jene Stars vertreten, die ihre Fans von damals auch heute noch nicht vergessen haben. Fußballprofis aber, die hier nur für kurze Zeit ihren Dienst nach Vorschrift ableisten, die werden kaum einmal in den Genuss kommen, beim Tag der Legenden dabei zu sein. Sie kommen eher in jene Schublade, an der folgendes Schild klebt: „Namen sind Schall und Rauch“.

So geht es auch – und erst recht, wenn es um den „HSV-Walk of Fame“ geht. Dem Initiator und Sponsor dieser für Hamburg einmaligen Sache, dem Unternehmer Andreas Maske, gehen so langsam die Spieler aus, die sich in der Vergangenheit um den HSV verdient und so einen in Nachhaltigkeit gebetteten Namen gemacht haben. Beliebt wird und bleibt ein Fußballstar von heute nicht nur durch Siege und Meisterschaften, sondern auch – vielleicht sogar vor allem – durch eine ehrliche und nicht gekünstelte Menschlichkeit.

An Uwe Seeler könnten und sollten sich die Spieler von heute, ich will gar nicht von Stars schreiben, ein Beispiel nehmen, sie sollten sich daran orientieren. Vorbildlicher Einsatz für Mannschaft und Verein, dazu viel Herz und größte Leidenschaft auf dem Rasen, aus jenem Holz sind die Legenden von morgen geschnitzt. Und wer nicht weiß, wie das alles zu machen ist, der sollte bei Uwe Seeler noch einmal in die Lehre gehen. Er beherrscht dieses Fußballstar-Einmaleins auch heute noch perfekt – und das wird wohl auch immer so bleiben. Hoffentlich noch viele, viele Jahre, denn Leute wie er, die werden in unserer immer oberflächlicher werdenden Gesellschaft immer rarer. Leider. Wobei Ehefrau und Familie nicht allzu oft im Regen stehen gelassen werden sollten.