HSV-Chef Beiersdorfer und Aufsichtsrat von Heesen haben eine Tor-Analyse erstellt – mit erschreckenden Ergebnissen

Es ist ja nichts Neues, dass man in der weiten Welt der Sportwetten auf so allerhand Kurioses sein Geld platzieren kann. 2010 wurde die Wette angeboten, dass Deutschland Italien im WM-Finale schlägt und der Papst anschließend auf dem Petersplatz „We are the champions“ singt. Ähnlich gute Quoten bot auch die theoretische Möglichkeit, dass Boris Beckers Tochter Anna Ermakowa vor ihrem 18. Geburtstag in Wimbledon gewinnt. Nicht ganz so verrückt, aber ziemlich mutig ist die neueste HSV-Wette, die der Internetanbieter „mybet.com" seinen Kunden offeriert: Online kann man darauf wetten, ob der HSV in Hannover (So., 17.30 Uhr) das erste Saisontor schießt – und wenn ja, wer es erzielt.

Nach 180 torlosen Minuten in dieser Bundesligaspielzeit wird die Sehnsucht nach dem ersten HSV-Treffer immer größer. Doch vor dem Auswärtsspiel in Hannover bleibt „mybet.com“ trotz akuter Torarmut optimistisch. Hamburger Fans, die darauf setzen, dass der HSV endlich mal wieder trifft, erhalten lediglich die Quote 1,3 (13 Euro bei zehn Euro Einsatz). Wer gegen den HSV setzt, bekommt die Quote von 3,2.

Natürlich würde HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer niemals gegen seinen Club setzen. Zum einen, weil er nicht auf Spiele des HSV wetten darf. Und zum anderen, weil er guter Dinge ist, dass die Hamburger Torarmut bereits am Sonntag vorbei ist. Er selbst war ja wochenlang für dieses Ziel im Einsatz.

Schon vor seiner offiziellen Inthronisierung als neuer Clubchef am 9. Juli hatte sich Beiersdorfer mit Neu-Aufsichtsrat Thomas von Heesen, im Kontrollgremium für den Bereich Sport zuständig, konspirativ zusammengesetzt. „Wir haben den alten Kader Mannschaftsteil für Mannschaftsteil analysiert. Im Offensivspiel des Teams sind uns gleich zwei Dinge aufgefallen“, erklärt von Heesen. Zum einen fehlte der alten Mannschaft Geschwindigkeit und zum anderen Torgefahr. „In der vergangenen Saison waren wir einfach auszurechnen, da wir nur durch Lasogga und Calhanoglu Torgefahr ausstrahlten“, sagt von Heesen. Und Calhanoglu musste der HSV bekanntlich verkaufen.

Beiersdorfers und von Heesens Forderung an eine gute Mannschaft klingt denkbar simpel: Ein gutes HSV-Team müsse nach 34 Spielen für mindestens 60 Tore gut sein, so von Heesen. 40 Treffer müsse man vom Offensiv-Quartett (Stoßstürmer, zwei Außenstürmer, Mittelfeldregisseur) erwarten dürfen, mindestens 20 Tore von der Viererkette und den beiden zentralen Mittelfeldspielern in der Defensive.

Doch bei ihrer Ist-Analyse im Sommer ist Beiersdorfer und von Heesen schon in der Viererkette aufgefallen, dass von der alten Defensive kaum Offensivgefahr ausging. Insgesamt sechs Treffer erzielten die Abwehrspieler in der vergangenen Saison, wobei nur Innenverteidiger Heiko Westermann (drei Tore) mehr als einen Treffer erzielen konnte. Chronisch ungefährlich waren die Außenverteidiger Dennis Diekmeier und Marcell Jansen, die in den vergangenen zwei Jahren gerade mal zwei Tore erzielten. Wunschneuzugang Matthias Ostrzolek ist zwar ebenfalls torungefährlich, bereitete aber immerhin in nur einem Jahr sieben Tore vor. Und auch im zentral-defensiven Mittelfeld wurden sieben Profis eingesetzt, die zusammengenommen aber gerade mal drei Treffer erzielten. Zu wenig.

Noch einfacher schien die Rechnung in der Offensive nach dem Verkauf von Calhanoglu, der alleine elf Treffer erzielen konnte. „Wir brauchten auf den Flügeln torgefährliche Spieler mit Tempo, die Lasogga im Angriff unterstützen“, sagt von Heesen. Deswegen holte Beiersdorfer mit Nicolai Müller (neun Tore), Zoltan Stieber (neun Treffer in der Zweiten Liga) und Julian Green (15 Tore in 18 Regionalligaspielen) gleich drei flinke Außenspieler, die zudem Torgefahr ausstrahlen.

Das Problem wurde erkannt, behoben ist es allerdings noch nicht. So war der runderneuerte HSV auch in den ersten beiden Partien der neuen Saison die mit Abstand ungefährlichste Bundesligamannschaft. Die Erklärung hierfür liegt jedoch auf der Hand: In beiden Spielen setzte Trainer Mirko Slomka zu Beginn lediglich auf einen Neuzugang: Mittelfeldabräumer Valon Behrami. Und der Schweizer gehört ausgerechnet zu den Neuzugängen, die in der Offensive kaum Akzente setzen. So ist sein letztes Ligator sage und schreibe vier Jahre her. Im Herbst 2010 traf er für seinen Ex-Ex-Ex-Club West Ham United gegen Wigan Athletic. Deswegen dürfte es auch keine Überraschung sein, dass auf dem Wettmarkt natürlich ein anderer HSV-Profi Favorit ist: Wer zehn Euro darauf setzt, dass Lasogga gegen Hannover endlich mal wieder trifft, der bekommt 24 Euro zurück. Die Wette gilt.