Die Geigerin Carolin Widmann, der Cellist Nicolas Altstaedt und der Pianist Alexander Lonquich machen Kammermusik – aber wie

Was macht eine große Musikerkarriere aus? Patentrezepte gibt es nicht. Eine außergewöhnliche Begabung ist unabdingbar, meinen jedenfalls die meisten – aber beim vielzitierten Fleiß hört es schon auf mit der Einigkeit. Von Anne-Sophie Mutter, seit Jahrzehnten amtierende berühmteste Geigerin der Welt, ist der Satz überliefert, wer mehr als vier Stunden am Tag üben müsse, der solle es lieber lassen mit der Solistenlaufbahn.

Eins jedoch trifft man immer wieder an unter den Begnadeten, ob sie sich nun maulwurfsgleich wochenlang zum Üben zurückziehen oder es lässig angehen lassen: ein Maß an Energie, das den Normalverbraucher selbst dann vom Stuhl fegen kann, wenn der Künstler gerade gar nicht spielt, sondern ihm nur gesprächsweise gegenübersitzt. Der Cellist Nicolas Altstaedt ist so ein Fall. Erholungspausen? Werden überschätzt. Kein Satz, den er nicht druckreif formulieren würde, kein Gramm überflüssiges Fett in den Gedanken. Das mit der Begabung sieht er übrigens ein wenig anders als die landläufige Meinung: „Ich glaube, es hat viel mit Willen zu tun, mit Vorstellungs- und Suggestionskraft“, sagt er über den Motor seiner Karriere.

Wer Altstaedt auf der Bühne erlebt, kann ihm nur beipflichten. Der Mann ist ein Feuerwerk. Dem Kammermusikfest Lockenhaus, dessen Leitung er vor zwei Jahren von niemand Geringerem als dem Geiger Gidon Kremer übernahm, hat er seinen Stempel aufgedrückt: Statt fester Ensembles lädt er Solisten ein, die sich erst dort begegnen. Diese Frische hört man dann eben auch.

Ende Oktober ist Altstaedt in seinem Element zu erleben, da spielt er im Rahmen der Reihe „Kammermusik“ der Elbphilharmonie Konzerte Klaviertrio im Kleinen Saal der Laeiszhalle. In der Geigerin Carolin Widmann und dem Pianisten Alexander Lonquich hat er da ebenbürtige Mitstreiter. Die beiden haben vor zwei Jahren eine Schubert-CD herausgebracht, die ein harmloses Abspielgerät rettungslos überfordert mit ihrem Ausdruckswillen, ihrer Virtuosität und ihrem Esprit.

Auf dem Programm stehen nun Schuberts spätes, selten gespieltes „Notturno“ Es-Dur, das C-Dur-Trio von Brahms und Beethovens Erzherzog-Trio. Mit den Herren Schubert, Brahms und Beethoven haben die drei tendenziell in die gediegene Programmschublade gegriffen. Auf dem Papier jedenfalls. Auf der Bühne werden sie, so viel ist mal sicher, ihrem Publikum den Atem verschlagen mit ihrem Zugang zu einer Musik, die uns nur deshalb wohlvertraut vorkommt, weil sich so selten jemand traut, sich so auf sie einzulassen, als wäre sie so neu wie zur Zeit ihrer Entstehung. Einer Zeit, in der das Publikum dauernd Uraufführungen hörte und gewöhnt war, jedem Stück eine Aussage abzulauschen – und diese dann ohne falsche Höflichkeit zu diskutieren.

Carolin Widmann, Nicolas Altstaedt, Alexander Lonquich 31.10., 20.00, Laeiszhalle (Kleiner Saal). Karten zu 11,- bis 45,- unter T. 35766666