Mukthar aus Afghanistan lebte in der Familie Hagenbeck. Carl-Friedrich schloss ihn sehr ins Herz. Es war eine schöne, wenn auch anstrengende Zeit mit ihm.

Ich liege morgens im Bett und merke wie kleine Finger meine Augen aufreißen. Drei Monate lang schläft ein kleiner Junge aus Afghanistan in meinem Bett.

Er ist über die Organisation „Herzbrücke“ im September vergangenen Jahres nach Hamburg gekommen. Das Projekt „Herzbrücke“ der Albertinenstiftung holt herzkranke Kinder aus Afghanistan nach Hamburg, um sie hier zu operieren. Ohne diese Operation würden die Kinder innerhalb der nächsten Jahre sterben.

Wir bekamen einen sechsjährigen Jungen Namens Mukthar Haji Zarak aus Logar. Bei uns heißt er nur Mucki.

Nachdem Mucki mich um sieben Uhr am Wochenende geweckt hat, geht er zuerst zum Eisschrank und holt sich eine „Icecrrim“ (Eiscreme).

Leider lässt er das Eisfach einfach offen, alles ist abgetaut und die Küche steht unter Wasser. Aber das ist auch klar. Mukthars Familie hat in Afghanistan keinen Kühlschrank, denn es gibt dort, wo sie wohnt, keinen Strom und kein fließendes Wasser.

Mucki packt das Eis aus und lässt das Papier einfach fallen, genauso ist es auch mit der Bananenschale und anderem Müll. Wir verständigen uns mit Mucki fast immer mit Händen und Füßen. In Afghanistan gibt es schätzungsweise 57 verschiedene Sprachen und mehr als 200 Dialekte.

Nach einer Weile spricht Mucki aber schon ein wenig Deutsch, seine Eltern verstehen ihn oft nicht mehr am Telefon, weil ihm die Wörter seiner Muttersprache nicht mehr einfallen. Leider hat er auch einige Schimpfwörter gelernt, die er eigentlich nicht kennen sollte. Die kommen aber natürlich nicht von uns!

Unsere Hunde haben es in den drei Monaten mit unserem Gast aus Afghanistan nicht so gut. Mucki jagt sie gern mit seinem Dreirad durchs Haus oder wirft sie mit einem Tennisball ab.

Auch das kann er nicht verstehen, denn in Afghanistan sind Hunde unreine Tiere. Sie wohnen nicht, wie bei uns, als Familienmitglieder im Haus. Es sind streunende Hunde, die auf der Straße leben.

Drei Monate lang ist Mukthar der Familienmittelpunkt. Mucki steht an erster Stelle und meine zwei Schwestern und ich an zweiter. Das stört uns nicht, denn Mukthar ist alleine ohne Eltern in einem fremden Land und muss eine schwere Herz-OP überstehen.

Es war eine schöne, wenn auch anstrengende Zeit mit ihm. Wir freuen uns, ein gesundes, fröhliches Kind nach Hause zu schicken. Auch wenn wir uns wahrscheinlich nie wieder sehen und ihn sehr vermissen werden.