„Yang Guifei“ ist in chinesisch-hamburgischer Gemeinschaftsarbeit entstanden

Zu den schönsten Utopien, die der alte Goethe in die Welt setzte, zählt die Vision einer „Weltliteratur“. Darunter verstand der Weimarer Geheimrat einen globalen Fundus von Geschichten für ein Publikum, dessen Neugierde weit über den nationalen Tellerrand, ja selbst über den Horizont des eigenen Kulturkreises hinausreicht. Doch auch knapp 200 Jahre nachdem der Dichterfürst diese Idee formulierte, bleibt ihre vollständige Realisierung ein frommer Wunsch. Welcher noch so kulturaffine westliche Leser etwa kann von sich behaupten, je von Yang Guifei gehört zu haben?

In China und Japan dagegen ist die Geschichte über die kaiserliche Konkubine und ihr tragisches Ende Allgemeingut. Mit der „Ballade von der immerwährenden Reue“, in der der Dichter Bai Juyi die Trauer des Kaisers über den Tod der Geliebten verewigte, wurden Generationen chinesischer Schulkinder malträtiert wie unsereiner mit Schillers „Glocke“.

In der ostasiatischen bildenden Kunst, in der Literatur, auf der Schauspiel- und Opernbühne und seit dem 20. Jahrhundert auch auf Leinwand und Mattscheibe ist die üppige Schönheit, die der Tang-Kaiser aus politischer Opportunität erdrosseln ließ, seit gut 1200 Jahren ein ikonisches Motiv. Unzählige Bilder zeugen von der enormen Suggestivität der Geschichte.

Denn das Schicksal der schönen Chinesin bietet genau jenes Maß an Sex and Crime, das die Leser aller Länder immer schon zu schätzen wussten: Mit zarten 16 wird Yang die Gespielin eines Prinzen; doch auch dessen Vater findet Gefallen an ihr und spannt sie dem Sohn aus. Als Yang eine Affäre mit einem aufständischen General nachgesagt wird, zwingt seine Palastgarde den untröstlichen Kaiser, das (vermeintlich) intrigante Frauenzimmer zu opfern. Das ist der Stoff, aus dem man auch im Westen Opern macht.

Eben dies taten nun der Hamburger Kulturjournalist Sören Ingwersen und die aus Qingdao stammende Komponistin Yijie Wang. Ingwersen verwandelte die alte Legende in ein singbares Libretto, auf das die 30-jährige Chinesin ihre erste abendfüllende Oper komponierte.

Dem Hamburger Publikum ist Wang, die an der Hochschule für Musik und Theater Komposition studierte, spätestens seit der Aufführung eines Schlagzeug- und eines Viola-Konzertes durch die Hamburger Camerata 2011 ein Begriff. Ihre Oper ist nun der praktische Teil eines zweiteiligen Promotionsprojektes, das die Entwicklung und das Verhältnis von chinesischem und westlichem Musiktheater nachzeichnet.

Und so rückt die Realisierung einer Weltliteratur (und -musik), wie sie der Geheimrat einst erträumte, wieder ein kleines Stück näher.

„Yang Guifei – Die Konkubine des Kaisers“ 23.2., 18.00 (A-Premiere), 25.2., 19.30 (B-Premiere), weitere Vorstellungen: 27.2., 1.3., jeweils 19.30, sowie 2.3., 18.00 Uhr, Forum. Karten zu 20,- unter T. 440298 oder T. 45 33 26