Boxer Sascha Dimitrenko schlägt hart zu. Aber er ist auch Christ. Für ihn kein Widerspruch

Manchen Gemeindemitgliedern ist Alexander Dimitrenko nicht ganz geheuer. Ein Profi-Boxer, einer, der hart im Ring zuschlägt – der soll ein gläubiger Christ sein? Doch für den Mann, der Weltmeister im Schwergewicht werden will, sind Nächstenliebe und Wirkungstreffer kein Widerspruch. „Sich schlagen“, sagt Alexander Dimitrenko, „macht man schlimmstenfalls in der Kneipe. Ich aber boxe! Das ist ein Sport mit einem Ringrichter und klar definierten Regeln.“ Dimitrenko spricht konzentriert und zugewandt. 2,01 Meter misst der gebürtige Ukrainer, bei einem Gewicht von 115 Kilo. Der 31-Jährige trainiert täglich. Und er betet täglich; sonntags besucht er mit seiner Frau regelmäßig den Gottesdienst bei Pastor David Stoll in Wandsbek, in der freien evangelischen Kirche „Christliche Gemeinde Neue Generation“. Körperliches und geistiges Training gehörten zusammen, aber: „Wenn du nicht auf den Punkt trainiert bist, nutzt auch Beten nichts.“

Manche haben den Boxprofi anfangs für seine Zurückhaltung und die guten Manieren belächelt. Doch sollte man ihn nicht unterschätzen: Sein Ehrgeiz und seine Zähigkeit sind es, die ihn sein Leben lang vorangetrieben haben. Alexander Dimitrenko wuchs in Jewpatorija auf der Krim auf. Sein Vater starb früh, die Mutter, eine tief gläubige evangelische Christin, heiratete erneut. „Meine Eltern haben mir immer die Liebe zur Arbeit vermittelt“, sagt Alexander rückblickend. Mit 16 rebellierte er, der Älteste von fünf Geschwistern, und verließ sein Elternhaus, um in das 750 Kilometer entfernte Sportinternat in Charkow zu ziehen. „Das war Freiheit für mich. Doch es gab nie genug zu essen. Es war die Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion“, erinnert sich Dimitrenko. „Ich musste um alles kämpfen.“ Im Jahr 2000 brachte er es zum Junioren-Weltmeistertitel im Superschwergewicht. Ein Jahr später unterschrieb er beim Boxstall Universum in Hamburg den ersten Vertrag als Profi. Er war 19 Jahre alt – und auf sich allein gestellt. „Es war sehr hart. Als ich nach Deutschland kam, wusste ich nichts über die deutsche Kultur, über die Menschen, über die Sprache“, sagt Dimitrenko. „Ich war verzweifelt und habe mir viele Sorgen gemacht. Nach außen habe ich mir nichts anmerken lassen. Geholfen hat mir mein Glaube. Und das Gespräch mit anderen Christen.“ Denn im Boxstall musste er funktionieren, Tag für Tag. Er befand sich in einem harten Business und einer neuen Welt. Dimitrenko ist ein Mann, der viel nachdenkt, die verbreitete Großmäuligkeit seiner Branche liegt ihm fern. Vielmehr trägt ihn ein Gefühl der Dankbarkeit. „Liebe rettet die Welt“, sagt der Boxer. Seine Ehefrau Vanja, auch sie eine Christin, sieht das genauso. Er hat sie 2002 kennengelernt, bei einem Boxkampf.

„Viele Leistungssportler mussten sich ihr Glück hart erarbeiten. Ich habe mir immer Mühe gegeben, etwas Großes zu erreichen.“ Das hat er: 2010 wurde er Europameister – und musste den Titel 2012 wieder abgeben. Das war der Tiefpunkt seiner Karriere. „Das war nicht einfach zu verarbeiten. Aber in solchen Momenten lernst du, stärker zu werden.“

Diesen Biss vermisst er bei Jugendlichen hierzulande. Die Anspruchshaltung, die er in Deutschland kennenlernte, habe ihn anfangs erschüttert. „Ich habe mir als Jugendlicher in Moskau eine warme Jacke gewünscht, hier wünschen sie sich ein Auto“, sagt Dimitrenko. Die Jungen, so hat er beobachtet, seien nicht genügend gefordert. Darum hat er das Programm „Box dich durch“ gegründet. Mit Unterstützung der PSD-Bank Nord eG hält er regelmäßig ein kostenloses Boxtraining in der Sporthalle des Nordisch Fight Club ab.

Im Herbst steht der Rückkampf um den Europameistertitel an. Eines Tages will er die Klitschkos als Weltmeister beerben. Doch für Dimitrenko liegt der Sinn des Lebens tiefer: „Über mich sollen sie einmal sagen: Das war ein guter Mensch.“

Wenn du nicht auf den Punkt trainiert bist, nutzt auch Beten nichts.