Die Preise fürs Reisen über die Meere sinken zudem noch weiter. Schiffstouren auf der Ostsee bringen neue Rekorde bei den Buchungen.

Deutschland wird zur Seemacht - und ausgerechnet die Briten rollen den roten Teppich aus. Zumindest was das boomende Kreuzfahrtgeschäft angeht. So dürfte sich für die Traditions-Reederei Cunard aus Southampton in diesem Jahr Hamburg mal wieder zum heimlichen Heimathafen entwickeln.

Allein zehn Anläufe der "Queen Mary 2" sind geplant. Das Flaggschiff von Cunard mit mehr als 3000 Passagieren wird fünf Transatlantik-Passagen von Hamburg nach New York und umgekehrt fahren. Die "Germans" stellen bei diesen Reisen längst die Mehrheit der Gäste. Deshalb werden auf Kreuzfahrten ab oder nach Hamburg Bordprogramm und Landausflüge in deutscher Sprache angeboten. Auch Cunards "Queen Elizabeth" und "Queen Victoria" laufen Hamburg an.

Die Deutschen zeigen schließlich immer mehr Lust aufs Schiff. 2011 setzte die Kreuzfahrtbranche im Lande 2,4 Mrd. Euro um. Am Gesamtumsatz der Reiseveranstalter machten die Schiffsreisen bereits einen Anteil von zwölf Prozent aus. 1,4 Mio. Deutsche gingen auf eine Hochseereise, 462.000 schipperten auf Flüssen. Die Zahlen für 2012 gibt der Deutsche Reiseverband zwar erst Anfang März auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin bekannt, man rechnet aber jetzt schon mit einem hohen einstelligen prozentualen Zuwachs gegenüber 2011. Ein Indikator ist die Zahl der Vorbuchungen, die deutlich über den letztjährigen liegen.

Nach Ansicht von Michael Ungerer, Präsident von AIDA Cruises, könnte der deutsche Kreuzfahrtmarkt in einigen Jahren sogar den britischen übertreffen, den bislang größten Europas. Derzeit liegt Deutschland nach den USA und Großbritannien auf Platz drei. Potenzial gebe es genug: Bislang haben nicht einmal zwei Prozent aller Deutschen eine Kreuzfahrt unternommen.

Und wer ist da jetzt unterwegs? Laut Statistik ist der durchschnittliche deutsche Passagier knapp 50 Jahre alt und zahlt etwa 1700 Euro für seine im Schnitt zehntägige Seereise. Aber auch jüngere Leute schätzen vermehrt die schwimmenden Clubhotels als Urlaubsmodell: Die schönsten Küsten ziehen am TV-geübten Auge vorbei, der Landgang reicht fürs Shopping und ein paar Sehenswürdigkeiten. Nicht die einzelnen Häfen, sondern das Schiff ist das Ziel. An Bord gibt es bei mehreren Tausend Gästen und jeder Menge Programm Unterhaltung genug.

Das immer noch gern bemühte Klischee vom Bildungsbürger im Seniorenalter als typischer Kreuzfahrtpassagier greift ohnehin nicht mehr. Das Spektrum der Passagiere ist angesichts immer günstigerer Einstiegspreise und eines immensen Angebots an Themenreisen von Single- bis zu Heavy-Metal-Cruises deutlich breiter geworden. Schnäppchen-Angebote sind längst Standard in den Prospekten der Lebensmitteldiscounter. "Die Vermutung, dass die meisten Passagiere eine höhere Ausbildung haben, muss vorsichtig zurückgewiesen werden", erläutert Touristik-Wissenschaftlerin Insa Stanke in ihrer Studie über das Konsumverhalten am deutschen Markt.

Gerade mit Themen- und Event-Kreuzfahrten können Reedereien Kunden gewinnen, die ansonsten nicht über einen Urlaub auf See nachdenken. So buchten rund 15 Prozent der Passagiere der beiden Rockliner-Kreuzfahrten mit Udo Lindenberg bei TUI Cruises später auch eine reguläre Reise auf "Mein Schiff 1" oder "2". Bei der Klassik-Kreuzfahrt mit den Wiener Philharmonikern lag die Quote laut TUI-Cruises-Chef Richard J. Vogel bei 27,6 Prozent.

Warum in die Ferne schweifen, wenn viele Törns quasi vor der Haustür beginnen und enden? So hat vor allem die Ostsee für deutsche Hochseeurlauber an Bedeutung gewonnen. Selbst Reedereien aus den USA wie Norwegian Cruise Line oder Celebrity tragen dem inzwischen Rechnung und tummeln sich mit ihren Megaschiffen zwischen Warnemünde und St. Petersburg.

Schon erwarten deutsche Häfen neue Rekorde. Das Hamburg Cruise Center rechnet für 2013 mit über 170 Anläufen und somit steigenden Passagierzahlen; ähnlich das Terminal von Rostock-Warnemünde, wo rund 200 Schiffsanläufe angekündigt sind. Im Norden Europas ist nahezu das ganze Jahr über Saison für Kreuzfahrer. Klare Verlierer sind dabei Dubai und die Arabischen Emirate. MSC und Costa Cruises haben bereits ihre Angebote in der Golfregion reduziert, Royal Caribbean kreuzt zur Wintersaison 2013/14 gar nicht mehr nach Dubai.

Der zunehmende Wettbewerb der Reedereien drückt die Preise weiter. Dieses Jahr drängen wieder sechs neue Super-Schiffe mit mehr als 7000 Kabinen in den Markt - die wollen erst einmal verkauft sein. Den Urlaubern kann das nur recht sein. Ihnen winken attraktive Extras wie "Bordguthaben", "Mitfahrerpreise" oder "Gratistage". Wer da clever plant, kann auf den Weltmeeren reichlich Sparpotenzial sichten.

Vergleichen lohnt sich mehr denn je: Der "Berlitz Guide", ein renommierter Kreuzfahrtenführer, registriert zwar auch die stark sinkenden Preise, warnt aber, dass gleichzeitig auch auf manchen Linern die Gebühren an Bord für Transfers, Getränke oder Schiffsführungen erhöht würden.

Ist man unsicher, ob eine Seereise überhaupt das Richtige für die kostbarsten Tage des Jahres ist, kann man zunächst eine drei- oder viertägige Schnupperkreuzfahrt buchen. Auch hier wird das Angebot immer größer. Und wer es sich leisten kann, eine längere Auszeit zu nehmen, geht vielleicht auf eine "Grand Voyage" - die moderne Alternative zur klassischen Weltreise.

Silversea Cruises, die Luxus-Reederei mit Sitz in Monaco, verbindet damit mehrere Abfahrten hintereinander zu einer großen Entdeckerkreuzfahrt. Wie etwa die 54-tägige Reise auf der "Silver Cloud" ab 16. September von Istanbul durch das Mittelmeer und weiter über den Atlantik bis in die Karibik.

Das gibt's allerdings nicht als Schnäppchen: Der Preis für eine Kabine beginnt bei 17.550 Euro.