Neues aus Russland und China: Andrej Mogutschi mit “Circo Ambulante“ und Lin Zhaohua mit “Der Attentäter“

Das Theater aus dem Reich der Mitte erscheint uns exotisch und faszinierend zugleich. Vor zwei Jahren gastierte der chinesische Regiestar Lin Zhaohua bei den Lessingtagen und begeisterte mit dem fast Zen-artig in Szene gesetzten Klassiker "Der Unterhändler" von Xu Ying nach Ideen des Konfuzius. Angelegt als universelle Parabel über Verantwortung und den zweifelhaften Sieg des Bösen und Untergang des Guten, übersetzt in Fantasiekostüme, ein minimalistisches Bühnenbild und viel andeutende Symbolik.

Hauptdarsteller Pu Cunxin, in seiner Heimat eine echte TV-Berühmtheit, ist auch beim neuerlichen Gastspiel dabei: "Der Attentäter" von Xu Ying. In seinen Anfängen der Avantgarde verpflichtet, mutet das erdenschwere und archaische Theater des 75-jährigen Lin Zhaohua heute klassisch, für manche gar altmodisch an. Doch in seiner Strenge entfaltet dieses Theater jenseits von Kategorisierungen eine eigene moderne Kraft. Der Regisseur, der 1989 seine unabhängige Theatergruppe gründete, gilt als einer der wichtigsten Theatermacher in China.

Er selbst sagt: "Ich habe keinen Stil (...) Wenn ein Stil entwickelt ist, ist er starr." Seine Theaterarbeiten werden vom Regime streng begutachtet, manche verboten. Mit dem Thalia Theater steht Lin Zhaohua seit 1988 in Kontakt, den Intendant Jürgen Flimm initiierte und Joachim Lux nun fortführt. In der Politparabel "Der Attentäter" erzählt er wortgewaltig und mit den Mitteln des Stockkampfes die klassische Vorgeschichte Chinas. Mit ihren verfeindeten Herrschern, politischen Morden und Rachemotiven.

Das Schicksal, Kunst unter den Augen aufmerksamer und machtbewusster Politiker zu produzieren, teilt Lin Zhaohua mit Andrej Mogutschi. Der 1961 in St. Petersburg geborene Regisseur gilt als ebenso innovativer wie spektakelfreudiger Regiestar. Auch er wandelt auf dem schmalen Grat, künstlerische Freiheit und Formexperiment zu verbinden, ohne ein Arbeitsverbot zu riskieren. Mit seinem "Circo Ambulante" setzt er wie ein Regiefels alles in Raserei, was das Theater dem Film voraushat: Drehbühne, Hubpodium, Video, Licht, Musik. Er verlegt sich auf ein Aussagenkaleidoskop anstelle einer Figurenpsychologie. Setzt auf Avantgarde, Bilderreichtum und Exzess.

Man kann daraus die Ohnmacht gegenüber dem Machtapparat herauslesen. Aber auf Nachfrage interessieren Mogutschi die grundsätzlichen Fragen. Das Universelle aus einem Fleck herauslesen, das ist es, was ihn umtreibt. In seinem "Circo Ambulante" ruft er zum großen, frei schwebenden Bilderreigen auf, in der Tradition von Virtuosen wie Ariane Mnouchkine oder Robert Lepage. Ihr schillerndes Zentrum bildet Schauspielstar Lia Ahediakova, eine Art russische Liz Taylor und Aushängeschild der Anti-Putin-Bewegung.

In ihrem Kampf gegen das übermächtige Regime mögen Aktivisten sich mitunter fühlen wie Don Quixote im Angesicht der Windmühle. Dessen Schicksal verlegt das Athener Theaterkollektiv Blitz, eine Art griechisches Rimini Protokoll, auf das aktuelle Schlachtfeld Europas. Und schickt dazu einen Erzähler durch verdörrte Landschaften über ein Laufband.

"Der Attentäter" 2.2., 20.00, 3.2., 19.00

"Circo Ambulante" 6./7.2., jew. 20.00, Thalia Theater, Alstertor, Karten 9,50 bis 48,-,

"Don Quixote" 27.1., 19.00, 28.1., 20.00, Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten 26,-/12,- unter T. 32 81 44 44 oder www.thalia-theater.de