Am 20. Januar 2013 eröffnet das Museumsquartier St. Annen. Es zeigt Lübecks kulturellen Reichtum

Lübeck wirbt gerne mit dem Ehrentitel Unesco-Weltkulturerbe. Viele Besucher der Stadt, die bis in die Frühe Neuzeit hinein als "Haupt der Hanse" eines der wichtigsten europäischen Machtzentren war, bekommen davon nicht viel mit. Sie spazieren vom Holstentor bis zur Marienkirche und vom Rathaus zum Marzipanverkauf der Firma Niederegger. Dabei sehen sie zwar großartige Baudenkmäler, wissen aber nicht, warum diese einst errichtet wurden und wie der enorme kulturelle Reichtum zustande kam.

Ab dem 20. Januar bietet sich Lübeckern und Lübeck-Besuchern die Chance, auf völlig neue Weise in die Geschichte dieser besonderen Stadt einzutauchen. Nach mehrjährigen Bauarbeiten und einer fünfmonatigen Schließung öffnet dann das neue Museumsquartier St. Annen seine Tore und lädt zu einer facettenreichen Innenansicht des Weltkulturerbes ein.

Glauben und Leben, Geschichte und Gegenwart liegen im historischen Aegidien-Viertel rings um die gotische Aegidienkirche dicht beieinander. Wer auf dem alten Pflaster der engen Gassen vorbei an Bürgerhäusern, Kirche und Synagoge zum ehemaligen, 1515 von wohlhabenden Bürgern der Stadt gegründeten St.-Annen-Kloster läuft, meint den Nachhall der Jahrhunderte zu hören. Wenn er dann das neue Museumsquartier betritt, begegnet er großartigen Zeugnissen dieser Geschichte, aber auch Kunstwerken der Gegenwart. "Wir haben uns um eine Verbindung von Altem und Neuem, von historischen Zeugnissen und Kunst der Gegenwart bemüht, denn daraus ergibt sich die Spannung dieses Museumsquartiers", sagt Hans Wißkirchen, der Direktor der Lübecker Museen.

Insgesamt misst das Quartier fast 9000 Quadratmeter, davon sind 4000 Quadratmeter reine Ausstellungsfläche, weitere 2000 Quadratmeter erstrecken sich auf Innenhöfe, malerische Gärten und Gänge, die noch vom Alltag des klösterlichen und bürgerlichen Lebens im Mittelalter und der Frühen Neuzeit künden. Glauben, Bürgerliche Gesellschaft und Moderne Kunst sind die drei inhaltlichen Fundamente, die das Museumsquartier tragen. Ausgangspunkt ist die historische Klosterarchitektur des frühen 16. Jahrhunderts, in der sakrale Kunst am authentischen Ort gezeigt werden kann. Wer im Kreuzgang und den angrenzenden Räumen die von Bürger und Zünften gestifteten prächtigen Altäre betrachtet, wird deren Bedeutung für die Frömmigkeit der damals lebenden Menschen viel unmittelbarer spüren als in einer konventionellen Museumspräsentation. Im Obergeschoss führt unter dem Titel "Das Innere des Weltkulturerbes" eine Folge von 25 Räumen dem Besucher exemplarisch vor Augen, wie die Lübecker Bürger gearbeitet und gelebt, ihre Wohnräume eingerichtet und dekoriert, gefeiert, ihre Tische gedeckt und sich gekleidet haben. Unter dem Titel "Hier spielt die Musik" geht es in einem der Räume auch um die Musikkultur, vor allem um Franz Tunder und Dietrich Buxtehude, die die "Lübecker Abendmusiker" begründeten, die Frühform der heute weltweit beliebten Kirchenkonzerte.

"Wir setzen hier ganz auf die Wirkung der originalen Exponate und verzichten bewusst auf multimediale Vermittlungsformen", sagt Bettina Zöller-Stock, Leiterin des St.-Annen-Museums, verweist aber zugleich auf den Multimedia-Raum am Ende des Rundgangs. Hier betritt man einen Hightech-Raum, in dem man interaktiv und multimedial zwischen den einzelnen historischen Themen navigieren und die Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart auf einer Zeitleiste nachvollziehen kann. Auf fast 200 Quadratmetern erstreckt sich außerdem ein Kindermuseum, in dem nicht nur eine berühmte Spielzeugsammlung gezeigt wird, sondern auch die historischen Themen für Kinder interessant aufbereitet werden.

Bereits seit zehn Jahren gibt es mit der Kunsthalle St. Annen ein Ausstellungszentrum für vor allem zeitgenössische Kunst, das trotz seiner modernen Architektur behutsam in den historischen Komplex eingebunden ist. Es wurde auf dem Areal der 1843 zerstörten Kirche des St.-Annen-Klosters errichtet, sodass sich hier eine reizvolle Verbindung von Geschichte und Gegenwart ergibt, die für das neue Museumsquartier prägend ist.

Museumsquartier St. Annen ab 20.1.2013, St.-Annen-Straße 15, Lübeck , Di-So 11.00-17.00, www.museumsquartier-st.annen.de