Die lettische Geigerin tritt in Hamburg auf

Der Prophet gilt nichts in der eigenen Stadt, so könnte man die biblische Erkenntnis für Musiker modifizieren. Es ist jedenfalls erstaunlich, dass viele an ihrem Wohnort kaum in Erscheinung treten. Die lettische Geigerin Baiba Skride ist so ein Fall. "Sie besitzt die Gabe, so natürlich durch ihre Geige zu sprechen, dass es die Gefühle der Hörer sofort ergreift", schwärmte etwa das britische "BBC Music Magazine". Skride hat den renommierten Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel gewonnen. Als Solistin ist sie international gefragt; vergangenes Jahr debütierte sie bei den Berliner Philharmonikern. Und ihr Instrument ist wahrer Geigenadel: Skride spielt die Stradivari "Ex Baron Feilitzsch", eine Leihgabe ihres Landsmanns Gidon Kremer.

Nur in Hamburg, wo die unprätentiöse Musikerin mit ihrer Familie lebt, tritt sie eher selten auf. 2009 spielte sie das Violinkonzert von Tschaikowsky mit den Philharmonikern, Ende Januar 2013 kann sich das Hamburger Publikum wieder von den Qualitäten dieser Ausnahmegeigerin überzeugen: Dann spielt sie, wiederum mit den Philharmonikern, an zwei Tagen Mozarts Violinkonzert A-Dur, ein Juwel der Gattung. Die Leitung hat Manfred Trojahn.

Trojahn dirigiert nicht nur. Im Hauptberuf ist er Komponist und gehört mit dieser Doppelung zu jener Spezies, der die Philharmoniker traditionell öfters das Pult überlassen. So steht auf dem Programm des 5. Abonnementskonzerts nicht nur Ravels Zyklus "Ma mère l'oye", sondern auch ein Werk Trojahns, das geradezu emblematisch für die Grabenkämpfe, Intrigen und Rufmorde ist, die die Entwicklung der Neuen Musik seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts begleitet haben: seine 2. Sinfonie, uraufgeführt 1978 bei den Donaueschinger Musiktagen, also in der Höhle des Löwen.

Dort führten die Altvordern der Avantgarde ein strenges Regiment: Wer sich nicht an ihre Regeln hielt, musste ihren Bannfluch fürchten. Und dann kam da ein junger Kollege von nicht einmal 30 Jahren, pflegte einen gänzlich subjektiven Musikstil und bezog sich in seinem Werk unverhohlen auf Gustav Mahler. Verrat! Traditionalismus! Der Skandal war perfekt, der Karriere hat's nicht geschadet. Bei den Philharmonikern kann er die Verbindungslinien seines Werks zu dem Klassiker Mozart ganz ohne Anfeindungen aufzeigen.

5. Philharmonisches Konzert 27.1.2013, 11.00, und 28.1., 20.00, Laeiszhalle. Karten zu 9,- bis 44,- unter T. 35 68 68