Erfahrene Kreuzfahrer bevorzugen oft kleinere Schiffe: Die Atmosphäre ist familiär, die Touren sind ungewöhnlich

Wie soll es denn bloß weitergehen ohne Irina? Morgens, mittags, abends war sie da. Eine Woche lang. Gut gelaunt, unendlich aufmerksam, auch mal mit einer Lebensweisheit zur Hand. Etwa, dass eine Pannacotta immer noch passt. Nein, tatsächlich? Und schon wieder hat sie recht behalten, die gute Fee! Die Pannacotta hat gepasst. Auch nach vier Gängen und Käseplatte. Und geschmeckt hat sie. Himmlisch. Wie fast alles an Bord der "MS Delphin".

Damit punkten sie ja auch bei ihren Stammgästen. Mit ihrer vorzüglichen Küche. Nix molekular, von wegen Schickimickikram. Solide europäische Klassiker zaubern Küchenchef Günter Weber und sein Team auf die stets festlich eingedeckten Tische im eleganten Restaurant, "Pazifik", handwerklich perfekt und reichlich portioniert. Günter Schmid sorgt derweil als Maître d'Hôtel dafür, dass auch wirklich alle bedient werden wie die Könige. Und dann ist da noch diese geradezu familiäre Atmosphäre ...

Einfach ein gutes Schiff, Inbegriff klassischer Kreuzfahrt

Irina aus der Ukraine arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Servierdame auf dem Schiff. Sechs Monate und mehr am Stück. Sie hat eindeutig etwas Mütterliches. Selbst bei Windstärke 10. Und sie hinterlässt eine Lücke in dem Moment, in dem man sich von "MS Delphin" verabschiedet. Wer bitte umsorgt einen von nun an so liebevoll mit mindestens drei Mahlzeiten am Tag?

Irina ist beispielhaft für 230 weitere gute Geister an Bord. Die sich um maximal 470 Passagiere kümmern. Eine gute Relation für ein kleines Schiff.

Ein kleines Schiff? Mit 157 Meter Länge und 22 Meter Breite ist die "Delphin" alles andere als klein. Doch neben einem der modernen Meeresgiganten wie der "Allure oft the Seas" (6300 Passagiere) ist sie ein Winzling. Eben kuschelig. Was nicht unwesentlich zum Erlebnis einer Seefahrt beiträgt. Denn sie kann Häfen und Buchten anlaufen, bei denen die großen Pötte kapitulieren. Balkone gibt es nicht auf der "Delphin". Aber dafür Suiten auf Deck 1, die so dimensioniert sind, das man darin tanzen kann. Und überall an Deck findet man ein Plätzchen, wo man seine Ruhe hat.

Das Festland entfernt sich und alle Winkenden werden kleiner und kleiner

Da plärrt kein Dauergedudel aus Lautsprechern. Nur beim Ablegen, da spielen sie immer "What a wonderful world". Aber Louis Armstrong ist schließlich keine Müllmusik, sondern etwas fürs Herz. Und kommt so richtig gut, wenn sich das Festland wie in Zeitlupe entfernt und alle, die da zurückbleibend winken, kleiner und kleiner werden.

Die "Delphin", gebaut 1975, war mal eine Autofähre und hat schon ein paar Falten und Runzeln. Aber da macht sie kein Theater drum. Sie ist, wie sie ist. 1986 wurde sie zum Kreuzfahrtschiff umgebaut. Nach einer Insolvenz Ende 2010 hat der indische Investor Pradeep Agrawal den Ozeanliner gekauft und mit deutschen Partnern den neuen Kreuzfahrt-Anbieter Passat Kreuzfahrten auf den Weg gebracht. Nun ist sie wieder da, die "Delphin". Kein Partydampfer, kein Vergnügungspark zur See. Einfach ein gutes Schiff, Inbegriff klassischer Kreuzfahrt.

Und genau das Richtige, um mal runterzukommen. Die Gedanken fliegen zu lassen und aufs Meer zu schauen. Oder gleich in die eigene Zukunft. Wenn die "Delphin" vor Südamerika kreuzt und pünktlich zum Silvester-Feuerwerk vor Rio de Janeiro festmacht, weilt auch die Münchner Astrologin Sonja Schön an Bord. Jeder Passagier kann auf dieser 21-tägigen Reise an einer Horoskop-Beratung teilnehmen.

Erfahrene Seereisende sagen: Kleinere Schiffe haben noch Charakter. Und die spannenderen Geschichten. Wie die "MS Deutschland" (520 Passagiere), das Fernseh-Traumschiff, das zuletzt Schlagzeilen über eine verhinderte Ausflaggung nach Malta machte.

Oder die "FTI Berlin" (465 Passagiere), die auch mal Traumschiff MS Berlin war, davor Princess Masuhri hieß, zwischendurch umgetauft auf Spirit of Adventure, und jetzt wieder als "Berlin" auf den deutschen Markt zurückgekehrt ist. Sie bekam es zwischen Madagaskar und Sansibar sogar schon mit Piraten zu tun, konnte aber zum Glück entwischen.

Individuelle Betreuung und außergewöhnliche Reiseziele

Kleinere Schiffe stehen auch für Exklusivität. Musterbeispiele sind die "MS Bremen" (164 Passagiere) und die "MS Hanseatic" (184 Passagiere) von Hapag Lloyd, luxuriöse Explorer-Schiffe, die sich in der Arktis genauso wohlfühlen wie auf dem Amazonas.

Die Reederei Compagnie du Ponant bittet zu Kreuzfahrten mit französischem Touch. Deren neue Yacht "Le Soléal" wird ihre 264 Passagiere im Sommer 2013 auf eine bislang wenig erkundete Route führen: Entlang der Küste Grönlands geht es durch die Arktis und das Beringmeer nach Russland.

Auf den Seadream-Zwillingsyachten (110 Passagiere) wiederum jeder soll sich jeder Gast wie ein Schiffseigner fühlen, und dafür wird an Bord alles getan. Wer es noch überschaubarer haben mag, chartert eine Yacht von Moorings. Die Luxuskatamarane, ausgestattet mit Klimaanlage und privaten Kabinen mit eigenem Badezimmer, bieten Platz für sechs bis zehn Gäste. Die Routen durch die schönsten Gewässer und Inselparadiese der Karibik und Südthailands sind frei wählbar - individueller geht es kaum. Der Traum von der eigenen Yacht kostet samt Skipper und Koch ab 780 Euro pro Tag, in Deutschland buchbar über airtours.