Zwei Leben zwischen Eiffelturm und Jahrmarkt

Etienne de Silhouette (1709-1767), Finanzminister Ludwigs XIV., hatte die Aufgabe, die Kasse des Königs, die durch den Siebenjährigen Krieg und einen pompösen Lebensstil leer geworden war, aufzufüllen. Der Marquis erließ Sparmaßnahmen und ging selbst mit gutem Beispiel voran. Statt mit Ölgemälden schmückte er sein Schloss mit papiernen Scherenschnitten. Von da an war für das Volk was sparsam und armselig aussah, "la Silhouette".

Die nach ihm benannte Kunstform wurde im alten China entwickelt und ist auch unter dem Begriff Scherenschnitt oder Schattenspiel bekannt. Der aus meist schwarzem Papier auf hellem Untergrund gefertigte Umriss war das billigste Mittel einer Porträtwiedergabe im Profil und erfreute sich bis zur Erfindung der Fotografie ungeheurer Beliebtheit. Im 19. und sogar noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gehörten ambulante Scherenschneider zum Erscheinungsbild von Jahrmärkten.

Dass der Scherenschnitt einiges mehr sein kann als die Kontur eines menschlichen Kopfes, belegt eine Ausstellung im Helms-Museum, die eine Auswahl aus dem Nachlass der Scherenschneider Heinrich Nolden senior (1876-1941) und junior (1922-1998) zeigt: "Luftige Höhen - Buntes Treiben". "Der Titel ist Programm", erklärt Kuratorin Dr. Corinna Raddatz, "denn präsentiert werden zwei Leben zwischen Eiffelturm und Jahrmärkten." Heinrich Nolden sen. wurde in Köln geboren und machte eine Ausbildung zum Bildhauer. Als sein Lehrherr vorzeitig starb, reiste er nach Paris, wo er anfangs auf der Straße arbeitete. Danach mietete er einen Stand auf dem Eiffelturm und arbeitete dort während der Sommermonate als Silhouettist. Neben Porträts von Touristen schuf er zur Versorgung seiner Ehefrau eine Vielzahl weiterer Themen, wie z. B. Landschaften, Zirkusleute, Bettler, Tiere, Landleben oder Feiern. Seine Frau erledigte das Geschäftliche, der Sohn half seinem Vater, lernte dabei die Kunst des Scherenschnitts.

Während des Zweiten Weltkriegs brachte die ausgebombte Witwe von Nolden sen. den Nachlass, bestehend aus unzähligen Scherenschnitten, von Köln nach Harburg. Heinrich Nolden jun. trat in die Fußstapfen seines 1941 verstorbenen Vaters. Sein Einsatzgebiet waren nach dem Zweiten Weltkrieg Jahrmärkte in ganz Deutschland, die er auch mit seiner Frau bereiste. An manchen Tagen schaffte er bis zu 200 Porträts. Neben den Scherenschnitten ergänzen Fotos, Dokumente und Objekte die Schau.

  • Helms-Museum , Museumsplatz 2, 21073 Hamburg, 6.12.06-28.02.07, di-so 10-17 Uhr, Führungen so 12 Uhr.