Meine Oma, Hannelore Heilmann, die 66 Jahre alt ist, hat den Zweiten Weltkrieg als Kleinkind miterlebt und mir vieles darüber erzählt. Jetzt möchte ich einiges davon berichten, weil es mir sehr am Herzen liegt.

Sie lebte während des Krieges mit ihrer Mutter, ihren vier Schwestern und ihrem Vater, der Soldat war, in einer geräumigen und gemütlichen Wohnung in Horn. Später bekam ihre Mutter noch einen Sohn. An ihren Vater hat sie nur schwache Erinnerungen, denn der ist damals kurz vor Kriegsende gefallen.

"Die Kleidung, die wir damals trugen, war von der Wohlfahrt und meistens viel zu groß", erzählte meine Oma mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Es gab während des Krieges die Möglichkeit, die Kinder in ein noch nicht durch Bombardierungen zerstörtes Gebiet des Deutschen Reiches zu schicken, dies nannte man "Kinder-Land-Verschickung".

Dies galt aber meistens nur für Großfamilien. Eine ihrer Schwestern wurde nach Bayern geschickt und kam erst mit 18 Jahren wieder zurück. Meine Oma kannte ihre Schwester sozusagen gar nicht!

Oft mußten viele Familien in den Bunker, wenn die Sirenen Luftalarm verkündeten.

Selbst am Tag mußte man die Wohnung verdunkeln, und die Kinder durften auch nicht auf die Straße, denn es bestand ständig die Gefahr, daß Luftangriffe erfolgten. Während des Krieges wurden schließlich viele Familien, auch die Familie meiner Großmutter von Horn mit einem Lastwagen nach Sachsen evakuiert.

In der Zeit wohnten dann Soldaten in der Horner Wohnung. Auf der Fahrt nach Sachsen mußte die Mutter meiner Oma auf ihre Kinder gut aufpassen, da viele Mädchen von den russischen Soldaten vergewaltigt wurden.

In Sachsen wurden die Familien dann einfach in Viehställen untergebracht. Wenn man Glück hatte, so wie meine Oma, dann kamen Bauern, die einen aufnahmen. Ihre Mutter mußte dafür, daß sie dort wohnen durften, auf dem Bauernhof arbeiten. "Das war schön. Da gab es endlich wieder ein richtiges Bett und etwas zu essen", schwärmt meine Oma noch heute.

Die Rückkehr nach Horn war dann für sie das Schlimmste, was sie bis dahin erlebt hatte. Denn als sie zu dem Gebäude, in dem sie wohnten, kamen, waren kurz zuvor Bomben gefallen. Vor ihrem Wohnhaus stand ein Kindergarten, und der wurde getroffen, als gerade Kinder hineingingen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Menschen nicht mehr mit einer Bombardierung gerechnet, denn es hatte Entwarnung gegeben. Meine Großmutter mußte sich die toten Kinder, oder besser, was von ihnen übriggeblieben war, ansehen - das hat sie bis heute nie wirklich verkraftet.

Als der Krieg vorbei war, fuhren die Panzer und Lastwagen der Alliierten durch die Straßen, um zu zeigen, wer den Krieg gewonnen hat. Die britischen Soldaten haben den Kindern oft Bonbons zugeworfen.

Meine Oma meinte: "Ich bin dort immer schnell hingelaufen, um noch ein paar Süßigkeiten abzubekommen, denn es gab ja nicht viel zu essen." Sie wiederholt es oft: "Es war eine grauenhafte Zeit, bis wir zum Bauernhof kamen und mal wieder richtig essen konnten."

Jennifer Heilmann, R 10 b

Schule Sachsenweg