Der Studiengang Medizintechnik vereinigt die Fächer Medizin und Physik. Viele Studenten gehen ins Ausland und die Jobchancen sind sehr gut.

"Nierensteine können teuflisch wehtun", sagt Friedrich Ueberle von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Seit rund 25 Jahren beschäftigt sich der Professor für Medizinische Mess- und Gerätetechnik mit Verfahren, die Patienten helfen sollen: Mithilfe von Schallwellen werden die Steine von außen zerkleinert beziehungsweise zertrümmert. Harnsteinleiden gelten als häufige Erkrankung, ein bis drei Prozent der Bevölkerung erkranken jährlich neu. Verkeilen sich die Steine nicht in den Harnwegen, bleiben sie oft unbemerkt. Blockieren sie jedoch die Abflusswege für den Urin, kann es zum Harnaufstau mit extrem schmerzhaften Nierenkoliken kommen. In 80 Prozent der Fälle enthalten Nierensteine Kalzium. Genau diesen Steinen rücken Mediziner mit der Extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) zu Leibe - vorausgesetzt, die Steine sind nicht zu groß.

Bei der ESWL werden Stoßwellen erzeugt und so gebündelt, dass sie den Nierenstein genau treffen. Dabei nutzt diese Technik das Prinzip, dass der menschliche Körper den gleichen Wellenwiderstand hat wie Wasser. Solange die Wellen nicht auf etwas Festes wie einen Harnstein treffen, werden sie weitergeleitet. "Die ersten Geräte in den 80er-Jahren sahen aus wie eine Badewanne, der Patient lag im Wasser, über das die Stoßwellen auf den Körper übertragen wurden", sagt Ueberle. Entwickelt wurden diese Apparate von einem deutschen Unternehmen, bei dem der 57-Jährige viele Jahre tätig war. "Heute liegt der Patient auf einer Liege, die Stoßwellen kommen aus einem Schallkopf mit einem Wasser- oder Gelkissen, das die Schallwellen weiterleitet."

Als verdächtig für den Nobelpreis habe diese medizinische Errungenschaft gegolten, sagt Ueberle. "Ich beschäftige mich mit der Frage, wie die Sicherheit solcher Lithotripter überprüft werden kann", sagt Ueberle. Welche Messgeräte oder Sensoren sind geeignet? Kommen die Wellen genau dort an, wo der Stein sitzt? Lassen sie das gesunde Gewebe unbeschädigt? Und können Schallwellen sicher zur Behandlung von Schmerzen bei orthopädischen Erkrankungen wie Tennisarm oder Schultergelenksproblemen angewendet werden, oder aber bei Krebs? Hochintensiv-fokussierter Ultraschall (HIFU) wird beispielsweise bei der Behandlung von Prostatakrebs eingesetzt.

Um einen Teil dieser Fragen mit Ueberle zu beantworten, verbringt Abtin Rad, 32, viel Zeit in einem etwa 25 Quadratmeter großen Raum. Über dessen Tür warnt ein grellrotes Warnlicht vor Laserstrahlen - die modernsten Schallsensoren arbeiten damit. Das Labor hat keine Fenster - die Laserstrahlung soll draußen niemanden gefährden. Kein natürliches Licht und keine frische Luft dringen an dem sonnigen Herbsttag ins Labor an der HAW in Bergedorf. Kabel, Messgeräte, Regale voller Material - wohlsortiertes Forscherchaos. Der Doktorand mit Wurzeln im Iran hat 2006 an der HAW Hamburg mit dem Studium der Medizintechnik angefangen und im Schnelldurchlauf Bachelor und Master erlangt. "Ein Traum wäre für mich, Professor zu werden." Bereits seit dem zweiten Semester arbeitet er für Ueberle - zunächst als Hilfswissenschaftler, nun als Doktorand. "Ich hatte Physik bei Professor Ueberle, mir hat seine Art gefallen, Vorlesungen zu halten, und dass er viele Veröffentlichungen hatte", sagt Rad. Mithilfe des Prototyps eines Messgeräts versucht er heraus zu finden, welche Art von Messfühlern bei der HIFU-Technik verwendet werden sollten. Dafür klettert er schon mal auf eine Leiter, um das mannshohe Gerät richtig einzustellen.

Um sich seine Doktorarbeit zu finanzieren, hat er einen Job bei einer Medizingerätefirma und arbeitet dort drei Tage in der Woche als Entwicklungsingenieur. Der Rest seiner Arbeitszeit ist dem HAW-Labor gewidmet. Medizintechnik vereinigt für ihn zwei Leidenschaften. "Ich konnte mich vor dem Studium nicht entscheiden zwischen Physik oder Medizin, nun habe ich beides zusammen", sagt Rad. Dass er sowohl beim Bachelor als auch beim Master jeweils ein Semester weniger brauchte als vorgesehen, führt er unter anderem auf seine Praxiserfahrung als Hiwi zurück. "Es hat von Anfang an nicht gereicht, auswendig zu lernen, ich musste alles verstehen, um es anwenden zu können. Meine erste Aufgabe war, ein Computerprogramm zu schreiben." Besonders gut gefallen hat ihm an der HAW Hamburg, dass sich die Studenten gegenseitig in Tutorien unterstützt haben.

Nahezu alle Studenten der Medizintechnik finden laut Ueberle im Anschluss an das Studium rasch einen Job. Zum Bachelor gehört ein Praxissemester dazu, meist im vorletzten oder letzten Semester. Etwa zehn bis 15 Prozent der Studenten gehen dafür ins Ausland, beispielsweise in die USA oder nach Australien. "Wir bekommen nicht selten Anfragen von Studenten oder Firmen, ob Prüfungen vorgezogen werden können, damit die Absolventen früher anfangen können zu arbeiten", berichtet Ueberle. Ein weiterer Teil der Medizintechniker arbeitet in Krankenhäusern. Zu den Aufgaben gehören die Planung von Kliniken, medizinisches Datenmanagement, die Beschaffung und Wartung von Geräten und die Bewertung, ob die von der Industrie angebotenen Produkte auch optimal für die Bedürfnisse der Ärzte und Patienten sind.