Männer mit ungewöhnlichen Lebenswegen: In Neugraben leben seit Kurzem fünf Missionare des Steyler Ordens. Es ist eine Glaubensgemeinschaft auf Zeit, denn alle paar Jahre ziehen die Patres weiter.

Die Fenster in dem großen, gelb gestrichenen Endreihenhaus in Neugraben sind hell erleuchtet. Hier, in der Katholischen Gemeinde Heilig Kreuz, leben seit Anfang des Jahres fünf Ordensbrüder der Steyler Missionare. Wer erwartet, dass sich das nach außen hin zeigt - etwa mit einem Kreuz über dem Eingang -, wird enttäuscht. Die fünf Patres legen keinen Wert auf Prunk und Zierrat. Bei ihnen geht es um theologische Inhalte. Um die Verbreitung des göttlichen Wortes und um Seelsorge im Erzbistum.

Was das Pfarrhaus bunt und lebendig macht, sind die Lebenswege der Ordensbrüder, die sie in Neugraben zusammengeführt haben - ähnlich einem kunstvoll gewebten Spinnennetz, dessen Fäden sich in der Mitte treffen. Pater Willie Escalante (49) stammt von den Philippinen, Pater Nikolaus Meran Koban (32) aus Indonesien. Pater Bernhard Kuhnert (71) verbrachte als Missionar mehr als ein Drittel seines Lebens in Papua-Neuguinea. Pater Heinrich Schwis (74) lebte 34 Jahre lang in Afrika und Pater Ralf Huning (42) war zwei Jahre in Nicaragua.

Das Reihenhaus aus den 70er-Jahren ist nicht nur das derzeitige Zentrum ihrer bisherigen Lebenswege. Es ist auch der Ort, an den sie jeden Abend zurückkehren, nachdem sie tagsüber ausgeschwärmt sind, um ihren unterschiedlichen Aufgaben nachzugehen. "Der Montagabend hat für uns einen besonderen Stellenwert", sagt Pater Huning. "Wir versuchen, ihn zusammen zu verbringen - mit einem Abendgebet und einem anschließenden gemeinsamen Essen." Nicht immer schaffen es die fünf Steyler Missionare, diesen Termin einzuhalten. Heute etwa fehlt Pater Kuhnert. Seine Aufgabe als Polizeiseelsorger, die er seit einem Jahr ausübt, führt ihn oft weit weg an die Grenzen des Erzbistums - häufig ist er dann nicht vor Mitternacht zurück.

Also sitzen sich an diesem Abend im Andachtsraum nur Pater Huning, Pater Escalante, Pater Koban und Pater Schwis gegenüber, in der Hand das "Stundenbuch" aus St. Michael, dem Gründungshaus der Missionare im niederländischen Steyl. Sie sprechen ein Wechselgebet, danach liest Nikolaus Koban aus dem Evangelium vor.

In dem ansonsten eher nüchternen, weiß gestrichenen Raum unterm Dach hängen Bilder der Heiligen Arnold Janssen und Josef Freinademetz. Janssen, der zunächst als Lehrer arbeitete und 1873 Geistlicher am Ursulinen-Konvent in Kempen wurde, gründete 1875 mit dem Steyler Orden die erste Missionsgemeinschaft Deutschlands. Freinademetz war der erste Missionar des Ordens - er brach 1879 nach China auf, wo er jahrzehntelang lebte und arbeitete.

Beim Abendessen erzählen die Ordensbrüder von sich und ihrer Arbeit. Pater Ralf Huning ist seit Dezember 2008 Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde und wird von Pater Schwis, der bereits im Ruhestand ist, gelegentlich unterstützt. Nikolaus Koban, der erst seit zwei Monaten in Neugraben lebt, ist für die Jugendarbeit der Pfarrei St. Maria/St. Joseph in Harburg zuständig. Dabei hilft es enorm, dass er gerne Fußball spielt. "Wir Indonesier sind alle fußballinfiziert", sagt er lachend.

Pater Willie Escalante kennt sich am besten im Erzbistum Hamburg aus. Denn dort ist er bereits seit zehn Jahren Seelsorger für die philippinischen und ghanaischen Katholiken. "Hier leben rund 3000 Philippiner ganz legal, aber ebenso viele sind hier illegal. Vor allem ihnen versuche ich zu helfen", sagt Escalante. Im Mai hat er mit seiner Gemeinde das Fest "Santa Cruzan" gefeiert - dafür kamen Hunderte Philippiner nach Neugraben, in auffälligen bunten Kostümen. Eine interkulturelle Begegnung, die die Arbeit der Steyler Missionare im Stadtteil bekannter gemacht hat.

Die Missionare suchen vor allem den Dialog zu Nichtchristen, Armen und Verfolgten verschiedener Kulturen. Jeder der 6100 Mitbrüder, die in mehr als 70 Ländern für den Orden tätig sind, trägt zum Missionserfolg bei. Die Aufgaben, die sie übernehmen, und die Orte, an denen sie arbeiten, werden von der Ordensleitung in Rom festgelegt. Da das Zusammenleben in einer international gemischten Gemeinschaft als wichtiger Wert angesehen wird, wird innerhalb eines Landes immer wieder das Personal getauscht. So wird sich auch der Steyler Orden in Neugraben irgendwann wieder verändern. Einer der jüngeren Brüder wird wieder eine Missionsreise ins Ausland antreten. Oder ein neuer Pater wird in das nüchterne Neugrabener Reihenhaus einziehen. Und es - wie die anderen Ordensbrüder - durch seinen kulturellen Hintergrund, seine Erfahrungen und seine Individualität mit Wärme füllen.