Welche Bedeutung hat Landwirtschaft für das Museum? Antworten von Kiekeberg-Chef Prof. Rolf Wiese.

Museumswelt:

Warum beschäftigt sich ein Freilichtmuseum so ausführlich mit den Themen Landwirtschaft und Ernährung?

Prof. Rolf Wiese:

Unsere Aufgabe ist das Sammeln, Bewahren und Erforschen der regionalen Agrargeschichte. Bei der Darstellung der bäuerlichen Hofwirtschaft haben wir uns nicht allein auf historische Gebäude beschränkt. Große Acker- und Weideflächen werden von Hand oder mit Geräten aus der Frühzeit der Industrialisierung und von Schleswiger Kaltblütern bearbeitet.

Museumswelt:

Wo kommt da die Ernährung ins Spiel?

Wiese:

Die Ernährungsform hat seit jeher auch die Hausform bestimmt. Eine offene Feuerstelle, über der ein Kessel hing, machte einen Rauchabzug nötig. Als technische Revolution galten die seit 1860 aufkommenden Kochmaschinen. Herde mit einer gusseisernen Abdeckplatte, in der sich Öffnungen und Ringe für unterschiedlich große Töpfe befanden. Erstmalig konnten mehrere Speisen gleichzeitig hergestellt werden. Und mit dem Herd änderten sich auch die Essgewohnheiten. Eine Entwicklung, die sich bis ins heutige Mikrowellen-Zeitalter fortsetzt. Wir wollen ebenfalls zeigen, dass gesunde Lebensmittel früher keineswegs selbstverständlich waren.

Museumswelt:

Wie machen Sie diese Themen für die Besucher anschaulich?

Wiese:

Bei uns werden alle Tierarten gehalten, die es um 1900 auf einem Bauernhof in der Nordheide oder der Winsener Elbmarsch gab. Dabei handelt es sich überwiegend um vom Aussterben bedrohte Rassen: "Bunte Bentheimer Schweine", bei den Rindern "Schwarzbuntes Niederungsvieh" und bei den Hühnern "Ramelsloher Blaubeine". Auch alte Obst- und Gemüsesorten werden bei uns kultiviert. Mit unseren Aktionstagen wollen wir Ernährung, Verarbeitung von Lebensmitteln und Handwerk anschaulich machen. Erntedank und Käsemarkt, Schlachtfest, Dampf- und Traktorentreffen und Imkertag halten alte Traditionen und bis heute wichtige Techniken lebendig.

Museumswelt:

Welche Besucher möchten Sie ansprechen?

Wiese:

Junge Menschen ab dem Vorschulalter bis zum geschichtsbewussten Erwachsenen jeder Altersklasse. Bei uns gilt übrigens schon seit 1987 der Grundsatz: Jugendliche bis 18 Jahre und Schulklassen haben freien Eintritt!

Museumswelt:

In den letzten Jahren hat sich schon viel getan, welche Neuerungen wird es in Zukunft geben?

Wiese:

Wir planen ein in Deutschland einmaliges landwirtschaftliches Science Center. Dieses Agrarium soll Kopf und Sinne ansprechen und sowohl über Ernährung als auch über die Herstellung von Nahrungsmitteln informieren. Bei der Präsentation werden frühere Arbeitsweisen ebenso berücksichtigt wie heutige Technologien. Und wir werden auch einen Blick in die Zukunft wagen. Die Besucher sollen sich Wissen über die vielen Facetten der Ernährung aktiv aneignen. Zum Konzept gehören auch Genuss-Stationen und Experimente. Zwei Highlights seien heute schon verraten: eine Lehrküche für Schulklassen und eine Kaffeerösterei.

Museumswelt:

Wann werden die Besucher das neue Agrarium zu sehen bekommen?

Wiese:

Baubeginn wird Anfang 2010 sein. Die Besucher können den Fortgang bis zur Schlüsselübergabe mitverfolgen. Während der gesamten Bauphase wird es zahlreiche Aktionen rund um das Agrarium geben. Eröffnung soll im Frühjahr 2012 sein.

Freilichtmuseum am Kiekeberg Am Kiekeberg 1, 21224 Rosengarten-Ehestorf, T. 790 17 60, November bis Februar Di-So 10-16 Uhr geöffnet, Eintritt Erw. 7 Euro, Besucher unter 18 Jahren frei; www.kiekeberg-museum.de