Eine Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Rathaus dokumentiert den Widerstand gegen die Nazis in Hamburg.

Hamburg. Am 27. Oktober 1942 wurde Helmuth Hübener in Berlin Plötzensee enthauptet. Der Verwaltungslehrling in der Hamburger Sozialbehörde war 17 Jahre alt. Die Richter des Volksgerichtshofs verurteilten Hübener "wegen Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung zum Tode" - wie es schwarz auf rot in der auch in Hamburg plakatierten Bekanntmachung von der Hinrichtung zu lesen stand. Er hatte mit seinen Freunden Nachrichten aus internationalen Radiosendern, vor allem von der BBC, auf Flugblättern verbreitet.

Dem jungen Widerstandskämpfer und seiner Gruppe widmet der Historiker Herbert Diercks einen Abschnitt in der Dokumentationsschau "Die Freiheit lebt! - Widerstand und Verfolgung in Hamburg 1933 bis 1945". Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus veranstaltet die KZ-Gedenkstätte Neuengamme traditionell Ende Januar eine Rathaus-Ausstellung mit der Unterstützung der Hamburgischen Bürgerschaft. Die Schau informiert bis Mitte Februar in der Rathaus-Diele auf Tafeln mit Fotos, Dokumenten und Lebensläufen über die verschiedenen Aspekte und Formen des Widerstands in Hamburg gegen Hitlers Terrorherrschaft und Verfolgungspolitik des nationalsozialistischen Regimes.

Der "Machtergreifung" Hitlers am 30. Januar 1933 folgten im März die Gesetze zu "Gleichschaltung" und Verbote der Parteien von SPD und KPD. Sie arbeiteten aber im Untergrund weiter. Der organisierten Opposition widmet sich die Ausstellung in mehreren thematisch geordneten Abschnitten. Neben politischen Gruppen gab es noch religiöse sowie Initiativen in der protestantischen und katholischen Kirche.

Auch mutige Einzelgänger stellt Diercks vor. Sie übten durch Verweigerung oder verbotene Hilfe individuellen Widerstand - so wie zum Beispiel Heinrich Mahn. Der Bäckermeister in der Wohlers Allee gab russischen Kriegsgefangenen Brot und Zigaretten, wurde 1945 zu vier Monaten Haft verurteilt. Wie auch im Fall des in Auschwitz ermordeten Heinz Leidersdorf, Studienreferendar an der Talmud-Tora-Schule, sucht Diercks noch nach Fotos und Material. "Ich verstehe die Ausstellung als offenes und sich weiterentwickelndes Rechercheprojekt."

In den Industriebetrieben reagierten Arbeiter durch direkte oder indirekte "Sabotage". Auch im Hafen und auf den Werften gab es subversive Aktionen um kommunistische Widerstandszellen. Die Nazis hatten den Putsch des faschistischen Generals Franco 1936 in Spanien durch Militärhilfe unterstützt. Dagobert Biermann machte die geheimen Manöver international publik. Der jüdische Kommunist wurde verhaftet, deportiert und 1943 im KZ Auschwitz ermordet.

In den Augen der Nazis schädigten auch die Jugendkultur der "Swing"-Kids "die deutsche Volkskraft". Auf einen Bericht aus Hamburg Anfang 1942 reagierte Heinrich Himmler am 26. Januar: "Nur wenn wir brutal durchgreifen, werden wir ein gefährliches Umsichgreifen dieser anglophylen Tendenz in einer Zeit, in der Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden können." Die Folge war eine Verhaftungswelle. Die "Weiße Rose" beunruhigte ebenfalls die Gestapo. Zum Münchner Studenten-Kreis unterhielten ungefähr 50 Hamburger Intellektuelle "konspirative" Kontakte. Unter ihnen war auch der Buchhändler Reinhold Meyer. Er wurde 1943 wegen hochverräterischen Unternehmens verhaftet und kam - wie sieben seiner Mitstreiter - zu Tode. Meyer starb am 12. November 1944 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel im Alter von 24 Jahren.

Etwas zu Unrecht steht die Gruppe um Helmuth Hübener im Schatten der bekannteren "Weißen Rose". Der erschütternde Fall Hübener zeigt: Auch in anderen Zusammenhängen gab es denkende und sich informierende (junge) Menschen, die um die Verbrechen der Nationalsozialisten wussten. Der Arbeitersohn gehörte zum Jungvolk und war in der Hitlerjugend. Doch die anfängliche Begeisterung für den NS-Staat verkehrte sich rasch in kritische Ablehnung, ausgelöst durch das Nazi-Verbot für christliche Gruppen.

Hübener verglich deutsche Presse und ausländische Rundfunkmeldungen und begann im Sommer 1941 kleine Flugblättchen mit Kommentaren zu verteilen. Seine gleichaltrigen Freunde Rudolf Wobbe und Karl Heinz Schnibbe unterstützen ihn. Denunziert vom Kollegen Heinrich Mohns in der Sozialbehörde, wurde Helmuth Hübener am 5. Februar 1942 von der Gestapo verhaftet. Es folgten das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und die Hinrichtung des 17-Jährigen in Plötzensee.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Programm begleitet.

"Die Freiheit lebt!" - Widerstand und Verfolgung in Hamburg 1933 bis 1945 22.1.-14.2. 2010, Rathaus, Rathausmarkt, Mo-Fr 9-18 Uhr, Sa/So 10-13 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei; Info unter www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de