Durchhaltevermögen hat Jörg Debatin bei Jesuiten gelernt. Das hilft dem UKE-Chef derzeit sehr.

An Jörg Debatin scheiden sich die Geister. Denn der Vorstandsvorsitzende und Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist ein streitbarer Mann. Einer, der Konflikte nicht scheut. Und davon gab es in den letzten Monaten seit dem Umzug in den Neubau ja jede Menge. Pannen im OP, ein offener, kritischer Brief der Ordinarien. Seither muss der UKE-Chef dem Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft regelmäßig Rede und Antwort stehen. Professor Debatin muss einiges aushalten.

Mit Verspätung weht der groß gewachsene Professor in sein Büro und ist sofort konzentriert bei der Sache. Natürlich habe ihn die Erziehung in einem katholischen Elternhaus in Bad Godesberg geprägt. Auf den sonntäglichen Kirchgang legten die Eltern zwar Wert, aber mehr noch auf die Vermittlung christlicher Grundwerte, die ihn bis heute leiten. Auf dem jesuitischen Aloisiuskolleg lernte der Sohn eines Juraprofessors nicht nur Disziplin, sondern eine wichtige Lektion fürs Leben: "Es nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu begreifen, zu Fehlern zu stehen."

Zur Medizin kam der 47-Jährige über sein Interesse an Naturwissenschaften. Ehrgeizig legte er eine steile Karriere in den USA, der Schweiz und als jüngster Direktor des Instituts für Radiologie und Professor an der Uni Essen hin. Die größte Herausforderung seiner bisherigen Karriere war der Wechsel Ende 2003 ans UKE. Dabei war er für den Hamburger Senat nicht erste Wahl. "Alle anderen hatten abgesagt", sagt er grinsend. Das wirtschaftliche Rüstzeug hatte er in St. Gallen mit dem Master in Unternehmensführung erworben - und bei seiner Diplomarbeit zum Prozessmanagement begriffen, wie ineffizient Medizin meist gemanagt wird.

Dass Ökonomie und gute Medizin miteinander unvereinbar sein sollen, lässt Debatin nicht gelten. "Ist es nicht viel eher unethisch, ineffizient zu arbeiten? Alles, was wir dadurch an Geld verprassen, ist Geld, das den Menschen, denen wir helfen wollen, nicht zugute kommt."

Wie lässt sich Effizienz in der Medizin definieren? Natürlich gebe es messbare Parameter wie Sterblichkeits- oder Komplikationsraten. Doch die schwer messbare menschliche Komponente, also ob Menschen sich im Krankenhaus geborgen und unterstützt fühlen, trage maßgeblich zum Gesundungsprozess bei - und schlage sich damit letztendlich auch in Zahlen nieder. "Die seelische Kraft spielt eine große Rolle im Heilungsprozess."

Geben Ärzte dafür genug Unterstützung? Pflegekräfte spielten durch ihre stärkere Präsenz eine größere Rolle in der Beeinflussung des Patienten als Ärzte, sagt er. "Ich bringe ihnen sehr viel Bewunderung entgegen - durchaus mehr als manchem Arzt. Denn Pflegekräfte sind ziemlich schlecht bezahlt und haben einen undankbaren Job, zwischen Patienten mit ihren Ängsten und den nicht immer stressfreien Ärzten agieren zu müssen. Dazu gehören extrem viel Gutmensch-Sein und ein ausgeprägtes Wertekonzept." Tatsächlich stöhnen viele Mitarbeiter im Pflegebereich, aber auch Ärzte über die Arbeitsbelastung an der Uniklinik. Seit Monaten versucht der UKE-Chef, geeignetes Personal zu finden.

Natürlich sei am UKE noch nicht alles optimal, gibt er zu. "Denn wenn ein Patient sagt, er habe den meisten Kontakt mit dem Reinigungspersonal gehabt, dann machen wir was falsch."

Das Stehvermögen, das er bei den Jesuiten gelernt hat, kam ihm auch zugute, nachdem sich in der letzten Zeit Kritik an seinem Führungsstil und am UKE häufte.

Der Umgang damit fällt ihm nicht leicht: "Mich trifft das vor allem auch, weil es unseren Mitarbeitern nicht gerecht wird, denn ich weiß, wie hart sie arbeiten, um Menschen, die sich uns anvertrauen, gesund zu machen."

Dennoch hat er bis heute seine Entscheidung, zum UKE zu wechseln, nicht bereut. Neben den großen beruflichen Gestaltungsmöglichkeiten schätzt er auch den privaten Freiraum; die meisten Wochenenden gehören heute seiner Frau Amrei (45), einer Anwältin, und den vier Söhnen (6 bis 11).

Die neue katholische Schule der Kinder und die Anbindung an eine lebendige Gemeinde haben ihnen den Zugang zur katholischen Welt Hamburgs geöffnet.

Fühlt er sich in der Diaspora katholischer? "Wir fallen nicht so sehr durch regelmäßigen Kirchenbesuch auf, fühlen uns aber zugehörig", sagt Jörg Debatin.