Kriminalistik, auch Straf- und Verkehrsrecht stehen auf dem Stundenplan - doch nichts geht über die Praxis. Das Abendblatt fuhr einen Tag im Streifenwagen mit.

"Michel - der 34 hört." Ulrike Greif hält das Funkgerät in der Hand und lauscht aufmerksam der Stimme aus der Funkzentrale, "Michel" genannt. "Ladendiebin gestellt", lautet die Botschaft. Kurz darauf braust die 25-Jährige mit Kollegin Kathrin Perrone zum Einsatzort. Ulrike absolviert gerade ihr sechsmonatiges Praxissemester im Polizeikommissariat 34, und Kathrin Perrone (29) ist ihre "Bärenführerin", die Beamtin an ihrer Seite.

Es ist ein Routine-Einsatz. Die Ladendiebin, eine ältere Frau, sitzt zusammengesunken auf einem Hocker, kämpft mit den Tränen. Sie habe geistesabwesend eine Packung Bonbons in ihre Tasche statt in den Wagen gepackt, sagt sie. Der Preis des gestohlenen Artikels: 3,22 Euro. Während Ulrike Greif beim Einwohnermeldeamt die von der Frau angegebene Adresse überprüfen lässt, erklärt Kollegin Perrone der Frau den weiteren Ablauf. Sie erhält eine Anzeige sowie Hausverbot. "Aber wo soll ich denn jetzt einkaufen?", ruft die Festgenommene verzweifelt, und dann rollen die Tränen. Mitleid mit einer Täterin, auch das komme vor, sagt Perrone. Denn die grundsätzlich erforderliche professionelle Distanz sei "im Idealfall mit einer Portion Einfühlungsvermögen gepaart", findet die Beamtin.

Als Ulrike sich für den Beruf Polizistin im mittleren Dienst entschied, glaubte sie, nichts könne sie schocken. "Doch als ich den ersten schweren Autounfall erleben musste, war die Realität eben doch ganz anders", sagt sie. Damit umzugehen müsse man lernen. "Wichtig ist, abends zusammen mit der Uniform auch die Einsätze abzustreifen."

Ihr Tag geht weiter mit einem Portemonnaie-Diebstahl, einem Auffahrunfall und einer Parkbehinderung. Ein durchaus normaler Streifendienst, sagt sie. Wobei man nie wissen könne, was als Nächstes komme. "Das liebe ich an diesem Beruf, keine Schicht ist langweilig", erklärt Ulrike. Und manchmal wird es auch richtig dramatisch: "Da schreiben wir am Computer unsere Berichte, plötzlich kommt ein Einsatz mit Sonderrechten rein - und schon springen alle auf, stürmen in die Wagen und es geht mit Blaulicht und Martinshorn zum Tatort. Wie im Fernsehen", schmunzelt Ulrike.

Eher wie im falschen Film fühlt sich der unbedarfte Beobachter bei einem Einsatz am Nachmittag. Im Streifenwagen sitzen Polizeihauptkommissar Behrmann und Katja Lehmann, die sich im Praxissemester auf dem Weg zum gehobenen Dienst befindet. Es geht in die psychiatrische Fachabteilung im Klinikum Nord. Kaum sind sie da, stürmt eine Frau auf die Polizisten zu und zeigt einen Raub an: 500 Euro seien ihr gestohlen worden. Die Täterin sei im 5. Stock. Tatsächlich findet Katja Lehmann dort eine junge Frau. Allerdings erzählt sie eine ganz andere Geschichte: Sie sei vom vermeintlichen Opfer belästigt und bedroht worden. "Nicht jeder Fall lässt sich vor Ort lösen", erklärt Katja, die zwar noch im fünften Semester an der Polizeihochschule studiert, doch schon über einige Berufserfahrung verfügt. 2003 schloss sie ihre Ausbildung zum mittleren Dienst ab, ging anschließend zur Bereitschaftspolizei und war schon bei Castortransporten, Staatsbesuchen oder Fußballspielen im Einsatz. Dabei habe sie dabei einiges erlebt, sagt sie lachend. Überhaupt lacht die blonde junge Frau oft und gern. Ist denn so eine fröhliche Ausstrahlung kein Problem im Umgang mit übellaunigen Ganoven? Katja: "Nein, wenn es drauf ankommt, strahle ich genug Autorität aus." Dabei helfe schon die Uniform. Und werde es dann doch einmal ernst, sei jeder Polizist durch konsequentes Training, auch im Nahkampf, bestens vorbereitet. "Und natürlich sind wir auch im Dienst an der Waffe so intensiv geschult, dass keine Scheu besteht, im Ernstfall zu ziehen." Doch ein gewisses Maß an Redegewandtheit sei viel wichtiger: "Denn eigentlich ist das Wort die wichtigste Waffe des Polizisten", weiß die junge Anwärterin.