Im Kunstprojekt und beim Theaterstück fanden die Schüler zu Selbstbewusstsein, Verantwortlichkeit und Gruppengefühl.

Was sind Regeln? Was sind Werte? Wie können unterschiedliche Menschen gut zusammenarbeiten und ein gemeinsames Ziel erreichen? Um diese Fragen geht es bei den Projekten des 2007 gegründeten gemeinnützigen Vereins "Werte erleben", in dem sich engagierte Hamburger für die Vermittlung von Werten stark machen.

"Werte und Regeln muss man vorleben", sagt Daniel Wahl, Schauspieler und Regisseur am Hamburger Schauspielhaus. Wie das aussehen kann, hat der 43-Jährige mit dem Theaterprojekt "Herr der Fliegen" gezeigt, für das vor zwei Jahren 40 Jugendliche aus 24 verschiedenen Schulen und 21 Hamburger Stadtteilen sechs Monate zusammen probten. Am 9. September 2007 hatte das Stück schließlich seine Premiere. "Dabei ging es auch darum, sich gegenseitig zu respektieren, gerade in seiner Unterschiedlichkeit und Vielfalt", sagt Wahl, der bereits Erfahrungen mit straffälligen Jugendlichen und arbeitslosen Menschen in Projekten gesammelt hat. "Aber eine so große Gruppe zusammenzuschweißen war auch für mich eine neue Herausforderung." Und auch die jungen Menschen zwischen 13 und 18 Jahren, die aus sehr unterschiedlichen Familien stammten, ebenfalls fanden hier eine große Aufgabe. Es waren nur sechs Monate Zeit. Mit Spielen, Improvisationen und Vertrauensübungen versuchte Wahl, die 40 Individuen sich näher zu bringen. "Heute geht es in der Schule um Noten und jeder ist als Einzelkämpfer unterwegs. Wirkliche Teamerlebnisse sind selten. Ebenso das aktive Sich-Einbringen in ein Projekt." Einige Schüler haben Spaß und Berieselung erwartet. Auch die Proben in der Freizeit wurden zunächst kritisch beurteilt. Es gab Auseinandersetzungen untereinander um Themen und Dialoge. Wahl: "Wir greifen in Extremsituationen auf uns bekannte Muster zurück. Das bedeutet, die Jugendlichen mussten zunächst ein Bewusstsein für ihre eigenen Mittel entwickeln und dann ihre Palette erweitern. Diese Möglichkeiten müssen die jungen Leute in einem geschützten Rahmen kennenlernen. Wenn jemand nur Gewalt als Mittel kennt, sind Worte zur Lösung von Konflikten für ihn etwas völlig Neues. Dass auch diese verletzen und jemanden stärker treffen können als ein Schlag, ist dann wiederum eine neue Erfahrung." Ganz wichtig sei vor allem, die Verbindlichkeit und Transparenz eines Projekts zu vermitteln. "Je klarer ich sage, worum es geht und was ich von den Jugendlichen will, desto eindeutiger können sie sich engagieren, wenn sie die Frage beantworten: Ist dieses Ziel für mich erreichbar? Nicht so wie bei DSDS, wo viel Unklarheit herrscht und es um den Vorführeffekt geht." Verbindlichkeit meint auch: Ich sage ja zu dir und das bedeutet, morgen ist es kein Nein, ich bleibe auch in schwierigen Phasen, die sicher kommen werden, bei meinem Entschluss. Das macht es leichter, während der gemeinsamen Reise bis zum Ziel - in diesem Fall bis zur Premiere - Tiefpunkte durchzustehen und Probleme zu meistern.

Ohne das Projekt wären sich wohl die Jugendlichen aus dem Gymnasium Hochrad in Othmarschen und die Schüler der Julius-Leber-Gesamtschule in Eidelstedt nie begegnet. Doch das von Wahl bearbeitete Stück über die Fragilität der Zivilisation, das von Kindern handelt, die auf einer Insel gestrandet sind und die dort den Erwachsenen immer ähnlicher, ja schließlich zu Killern werden, hat die Schüler zusammengeschweißt. Nicht nur der Applaus des Publikums ist für sie eine bleibende Erfahrung. Die jungen Menschen haben die Bedeutung längst vergessener und in ihren Augen höchst uncooler Werte wie Disziplin, Respekt und Verlässlichkeit selbst erlebt - und sie haben sich in der Gruppe angenommen gefühlt. Sicherlich hat dabei auch der Einsatz des erfahrenen Regisseurs, der für einige Jugendliche ein verlässlicher Freund, für andere fast zu einer Vaterfigur wurde, eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Das Theaterprojekt hat die Jugendlichen auch gelehrt, an einem Thema dranzubleiben, Hemmungen, Vorurteile, Barrieren und innere Blockaden abzubauen und Selbstvertrauen zu entwickeln.

Vertrauen in sich und andere gewinnen und ein natürliches Selbstbewusstsein entwickeln konnten Jugendliche auch in dem schulübergreifenden Kunstprojekt "Mut", an dem 80 Schüler aus 13 Schulen im Alter zwischen 12und 17 Jahren teilnahmen. Das Ziel war es, Freude an Kreativität zu vermitteln. "Mut bedeutet für mich, seine eigene Meinung zu sagen", bringt es Pawel auf den Punkt. Der 14-Jährige aus der achten Klasse der Gesamtschule Fraenkelstraße beteiligte sich gleich an mehreren künstlerischen Arbeiten und machte dabei eine erstaunliche Erfahrung: "Ich konnte sogar pünktlich sein, obwohl das nicht so meine Stärke ist!" Die Werke der Jugendlichen waren im Februar in der Deichtorhalle zu sehen. Darunter ein begehbarer Kiosk, in dem Mut in Zauberflaschen verkauft wurde, eine ebenfalls begehbare dunkle Gruselkammer sowie eine Tsunamiwelle. Yannick Reimers hat die Projektarbeit dabei geholfen, auf Menschen zugehen und besser vor Publikum reden zu können. Er hat seine Scheu so gut überwunden, dass er sogar auf der Pressekonferenz am 16. Februar auftrat. "Ich bin viel selbstbewusster geworden und traue mir jetzt mehr zu."