Ab dem 14. Juni präsentiert das Ernst Barlach Haus den Künstler Hans Arp als wandelbaren Figuren-Schöpfer.

Ich bin der große Derdiedas. Das rigorose Element. Der Ozonstengel prima Qua. Der Anonyme Einprozent", so der Anfang eines Dada-Gedichts von Hans Arp. Der 1886 in Straßburg geborene Maler, Bildhauer und Dichter gab gerne Rätsel auf. 1916 zählte er zu den Mitbegründern der Dada-Bewegung, später war er den Surrealisten verbunden. Den strengen Fortschrittsglauben vieler Zeitgenossen teilte er nicht. Vielmehr strebte er nach einer mystischen Aussöhnung von Mensch und Natur, schätzte dabei auch den Zufall als kreative Kraft. Das gilt auch für seine sogenannten Figurinen oder "Poupées". Mehr als 200 dieser Scherenschnitte, jeweils zwischen sechs und 60 Zentimetern groß, sowie rund 40 Zeichnungen, Collagen, Reliefs und Plastiken zeigt ab dem 14. Juni eine Ausstellung im Ernst Barlach Haus.

Die figurativen Scherenschnitte datieren vom Beginn der 50er-Jahre bis zu Arps Tod 1966. Der Künstler bewegte sich auf der Grenze eines geometrisierenden (Symmetrie) und biomorphen (Wellenlinie) Stils. In Letzterem entwickelte er eine organische Formsprache, arbeitete mit den Prinzipien der Metamorphose. In den Scherenschnitten ist die menschenähnliche Form häufig mit einer rigorosen Statuarik verbunden, die den Figuren ein überzeitliches Moment verleiht.

Arps "Decoupagen" hatten eine bestimmte Funktion im Werkprozess und dienten nicht selten als Vorlage für Collagen, Reliefs oder Plastiken. Zahlreiche "Puppen" sind streng axialsymmetrische, armlose Torsi. In einer Welle fließt die Kontur vom Kopf bis in die Fußzone mit einer Standlinie. Solche Poupées erinnern an Vasen, andere gleichen frei schwebenden Engeln. "Man sieht die Figuren förmlich ins Plastische herüberwandern. Es sind Formeln des Menschlichen in seinen vielgestaltigen Ausprägungen", erläutert Dr. Karsten Müller, Leiter des Ernst Barlach Hauses. "Die Ausstellung gibt interessante Einblicke in Arps Arbeitsweise. Seine Scherenschnitte sind eine Funken sprühende Ideensammlung."

Als Material nutzte Arp unterschiedlich vorbehandelte Papierarten. Das zugrunde liegende Schema der menschlichen Figur hat er vielfältig variiert. Gelegentlich sind anatomisch nicht plausible Ausbauchungen erkennbar sowie spitze oder schwanzflossenartige Formen. Manche von Arps "Puppen" wirken wie Comicfiguren. Bislang wurden die Poupées als "Spielmaterial" eher wenig wahrgenommen.

Die Ausstellung belegt, dass sie für den späten Hans Arp ein zentrales formales und inhaltliches Anliegen waren, ein dem Humanitätsgedanken verpflichtetes Puppenspiel. Noch kurz vor seinem Tod wollte Arp ein Album mit gedruckten farbigen "Puppen" und einem Text von Marcel Duchamp herausbringen. Dazu ist der obsessive Scherennutzer nicht mehr gekommen.

Hans Arp. Figurinen Werke aus der Fondazione Marguerite Arp, Locarno, 14.6. bis 27.9., Ernst Barlach Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Str. 50a, T. 82 60 85, Kuratorenführung 30.6., 18 Uhr, Di-So 11-18 Uhr, Katalog 25 Euro; www.barlach-haus.de .