Das Bucerius Kunst Forum zeigt mit Meisterwerken aus dem Whitney Museum den berühmten amerikanischen Maler im Kontext seiner Zeitgenossen.

Seine Landschaften sind von einer enormen Klarheit. Zugleich erscheinen sie leer und auf merkwürdige Weise verlassen. Die geometrisch konstruierten städtischen Szenen zeigen menschenleere Straßenzüge, verwaiste Tankstellen, karge Mauern und vergessene Reklametafeln. Der amerikanische Maler Edward Hopper (1882-1967) malte leblose Hotelzimmer, verlassene Kinosäle und neonbeleuchtete nächtliche Bars, in denen Menschen beziehungslos am Tresen sitzen. Es sind Bilder von großer Eindringlichkeit und von einer geheimnisvollen atmosphärischen Kraft. Kein Wunder, dass sich Alfred Hitchcock 1960 von einem Hopper-Gemälde für sein Horror-Haus in dem Thriller "Psycho" anregen ließ. Auch andere Regisseure wurden durch die Bilderwelt jenes Malers inspiriert, der zum Inbegriff der amerikanischen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts geworden ist.

Nachdem das Bucerius Kunst Forum 2007 unter dem Titel "Neue Welt" die romantische Malerei der Hudson River School und 2008 in "High Society" die Porträtkunst der amerikanischen Gründerzeit gezeigt hat, schließt die Ausstellungshalle am Rathausmarkt ihre Amerika-Trilogie nun mit einer Schau ab, in deren Mittelpunkt Edward Hopper steht. "Modern Life. Edward Hopper und seine Zeit" ist jedoch keine reine Hopper-Retrospektive, wie sie zuletzt 2004 in London und Köln und 2007 in Washington zu besichtigen war, sondern eine Ausstellung, die den wichtigsten amerikanischen Künstler des frühen 20. Jahrhunderts aus seiner Zeit, seinem sozialen und künstlerischen Umfeld heraus verständlich zu machen versucht.

Gerade weil Hopper das Bild der frühen amerikanischen Moderne so dominiert, bleibt unbeachtet, dass seine Kunst in der Auseinandersetzung mit zahlreichen stilistischen Strömungen entstanden ist. Die in Kooperation mit dem Whitney Museum of American Art entstandene Ausstellung zeigt in ihrem Zentrum wie in einem White Cube sechs exemplarische Hopper-Gemälde, darunter das um 1921 entstandene Rückenporträt einer Frau ("New York Interior"), "Railroad Sunset" von 1929 und "Seven A.M." aus dem Jahre 1948.

Doch obwohl Hoppers Werk eindeutig den Mittelpunkt bildet, woran schon die Ausstellungsarchitektur keinen Zweifel lässt, bezieht die Schau ihren eigentlich Reiz dadurch, dass sie rings herum all jene Künstler und Kunstströmungen anordnet, mit denen sich der berühmte Maler auseinandergesetzt hat.

Edward Hopper wurde 1882 in Nyack im State New York geboren, studierte an der New York School of Art, u. a. bei Robert Henri, und bereiste im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gleich dreimal Europa. Fast 20 Jahre lang war er darauf angewiesen, sein Geld als Illustrator zu verdienen, erst nach seinem künstlerischen Durchbruch Mitte der 20er-Jahre konnte er von seiner Malerei leben.

Im frühen 20. Jahrhundert schauten die amerikanischen Maler nach Europa und auf die europäische Moderne, waren aber zugleich auf der Suche nach Eigenart, Prägung und Identität einer modernen amerikanischen Kunst. Müsste die wahre amerikanische Kunst aus der Weite des Landes heraus entstehen oder Ausdruck des atemberaubenden Wachstums der Metropolen sein?

Die Mitglieder der Ashcan School um Hoppers Lehrer Robert Henri hatten dazu ganz andere Auffassungen als die Protagonisten des Whitney Studio Clubs, der American Scene oder des Machine Age. Hopper erlebte diese Auseinandersetzungen ganz unmittelbar mit, gehörte aber keiner der Gruppen an. Ortrud Westheider, die Direktorin des Bucerius Kunst Forums, meint dazu: "Hopper stand nicht außerhalb dieser Diskussion, deren Standpunkte oft gegensätzlich waren, er stand vielmehr zwischen allen Fronten. Seine Leistung besteht jedoch darin - und das wollen wir unseren Besuchern vor Augen führen - , dass er die Einflüsse, die in seiner Zeit aktuell waren, auf ganz eigene Weise aufgegriffen hat und sie in eine Zeitlosigkeit ummünzte, die uns noch heute gültig erscheint."

Neben Hoppers Gemälden und einigen seiner Arbeiten auf Papier zeigt die Ausstellung mehr als 90 Arbeiten von Zeitgenossen, ausnahmslos Leihgaben aus dem New Yorker Whitney Museum of American Art. Zu sehen sind u. a. Meisterwerke von Man Ray, Lyonel Feininger, Charles Sheeler und Georgia O'Keeffe.

Modern Life - Edward Hopper und seine Zeit bis 30.8., Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, 11-19, Do bis 21 Uhr, Katalog 24,80 Euro.