Tapferer Kämpfer und Medienstar: Der Lakota-Indianer steckte voller Widersprüche.

Für die einen ist er ein Freiheitsheld, die anderen sehen in ihm einen Häuptling, der sein Volk ins Verderben geführt hat. Er wird als charismatischer Politiker und spirituelle Persönlichkeit verehrt, aber auch als Egomane und Volksverhetzer geschmäht: Bis heute scheiden sich die Geister an Sitting Bull, dem weltweit bekanntesten Indianer. Im Rahmen einer internationalen Kooperation u. a. mit dem Museum für Völkerkunde Wien zeigt das Übersee-Museum Bremen eine Ausstellung, in der das Leben des Indianerführers anhand von zahlreichen originalen Objekten, Dokumenten und historischen Quellen nachgezeichnet wird.

"Einerseits geht es uns darum, dem Menschen auf die Spur zu kommen, andererseits stellen wir aber auch den Bezug zu seiner Zeit her und schildern, in welcher historischen Situation er agierte", sagt Wiebke Ahrndt, Direktorin des Bremer Übersee-Museums zur Konzeption der Schau, die der renommierte österreichische Ethnologe Christian Feest erarbeitet hat.

Sitting Bull wurde 1831 als Kind einer prominenten Häuptlingsfamilie der Teton Sioux (Lakota) geboren. Seine Karriere als Häuptling war damit allerdings noch nicht vorgezeichnet. Erbliche Ämter gab es bei den Lakota nicht. Wer Führungspositionen einnehmen wollte, musste Anhänger gewinnen und für Gefolgschaft sorgen. Sitting Bull brachte diese Voraussetzungen mit. Er konnte Menschen für sich einnehmen, für ein Ziel begeistern, zum Kampf motivieren. Er hatte Charisma und war eine spirituelle Persönlichkeit. Er hatte Visionen, die seinen Ruf festigten. "Sitting Bull war eine kämpferische Persönlichkeit und ist auch im Alter von 40 Jahren lieber in den Kampf gezogen, als - wie etwa Red Cloud - in Washington Verträge zu unterzeichnen, die wenig später doch gebrochen wurden", sagt Wiebke Ahrndt.

Zum Mythos wurde Sitting Bull durch ein Ereignis, das das amerikanische Selbstbewusstsein in beispielloser Weise erschütterte: Am 25. und 26. Juni 1876 brachte Sitting Bull mit einer aus mehreren Stämmen bestehenden Streitmacht dem von General George Armstrong Custer geführten siebten Kavallerieregiment eine vernichtende Niederlage bei. Der amerikanische Bürgerkriegsheld Custer selbst fiel, seine Truppen wurden völlig aufgerieben. Die Nachricht der Niederlage erreichte die Öffentlichkeit ausgerechnet zu den Feiern anlässlich des 100. Jahrestags der Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1876.

Der Schock saß tief und er hatte Folgen. Schon seit den 60er-Jahren hatte der Siedlungsdruck auf die Indianergebiete dramatisch zugenommen. Durch das groß angelegte Abschlachten der Bisonherden wurde die Plains- und Prärieindianer zunehmend ihrer traditionellen Lebensgrundlage beraubt.

Doch nach Little Bighorn änderte die US-Regierung ihre Indianer-Politik grundsätzlich: Von nun an stand fest, dass alle Indianer dazu gezwungen werden sollten, sich in Reservationen anzusiedeln. Die verhängnisvolle Entwicklung, die für die Ureinwohner einsetzte, kommt in der Gestaltung der Ausstellung zum Ausdruck: Es wird enger und dunkler. In den Reservationen brachen Krankheiten aus, die Menschen wurden abhängig von Lebensmittelrationen, Alkoholismus griff um sich.

Sitting Bull war in dieser Zeit eine der meistgehassten Persönlichkeiten der USA. Er selbst konnte sich aber zunächst nach Kanada absetzen und sein Leben noch etwa vier Jahre unabhängig führen. Als er schließlich doch gezwungen war, sich den US-Behörden zu ergeben, wurde er gedemütigt: Man fuhr ihn auf einem Schaufelraddampfer den Missouri hinunter, setzte ihm eine Brille auf und drückte ihm ein Eis in die Hand. Nach einigen Monaten Gefangenschaft kam er in die Reservation von Standing Rock, wo die Lakota unter katastrophalen Bedingungen lebten.

Hier konnte und wollte er seine alte Stellung nicht mehr einnehmen. Stattdessen tourte er eine Zeit lang mit Buffalo Bills Wild-West-Show durch die USA, wo er zunächst vom Publikum als Schlächter vom Little Bighorn beschimpft wurde. Doch schon bald änderte sich die Stimmung. Der Indianer konnte die Menschen für sich einnehmen. Sitting Bull verfügte zweifellos über Show-Talente, bald wurde er zum Medienstar, zu einer der am meisten fotografierten Personen seiner Zeit.

Dass ihn die indianische Reservationspolizei am 15. Dezember 1890 erschoss, beruhte auf einem Irrtum: Er war keineswegs der Rädelsführer der sogenannten "Geistertanzbewegung", die Unruhen verursacht hatte. Die Ausstellung endet nicht mit Sitting Bulls Tod, sie geht auch auf die heutige Situation der Lakota ein und zeigt, dass der Mythos des "letzten Indianers", so hatte er sich selbst bezeichnet, bis heute lebendig ist.


Sitting Bull und seine Welt Überseemuseum Bremen, Bahnhofsplatz 13, 13.12. bis 3.5.2009, Mi-Fr 9-18, Di 9-21 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr.