Schulleiter Wolfgang Deppe-Schwittay baut auf die Hilfe von Senioren, die den Jugendlichen Praxiserfahrung vermitteln.

Die Ganztagsschule Veermoor in Lurup ist vor Kurzem mit dem Hauptschulpreis 2007 ausgezeichnet worden, der alle zwei Jahre von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Robert-Bosch-Stiftung sowie der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ausgeschrieben wird. Das Abendblatt hat den Schulleiter getroffen.

ABENDBLATT: Sagen Sie, Herr Deppe-Schwittay, wie fühlt man sich als Leiter einer ausgezeichneten Hauptschule?

WOLFGANG DEPPE-SCHWITTAY: Eigentlich nicht so besonders. Unsere Schule macht eine Arbeit, die von uns verlangt wird.

ABENDBLATT: Und was wird verlangt?

DEPPE-SCHWITTAY: Dass wir Ansätze aus der Arbeitswelt integrieren, die Schüler zu einem guten Miteinander erziehen und natürlich, dass wir fachliche Inhalte kognitiv vermitteln. All das versuchen wir, aber auf eine andere Art.

ABENDBLATT: Auf welche?

DEPPE-SCHWITTAY: Wir holen uns Leute in die Schule, die ein Gewerk von der Pieke auf gelernt haben.

ABENDBLATT: Wen meinen Sie?

DEPPE-SCHWITTAY: Senioren. Menschen, die aus dem aktiven Schaffensprozess ausgeschieden sind und selbst nach einer sinnvollen Beschäftigung suchen. Vermittelt von der Zeitspender-Agentur des Arbeiter-Samariter-Bundes.

ABENDBLATT: Und die machen bei Ihnen Unterricht?

DEPPE-SCHWITTAY: Ja. Sie geben den Schülern unter Aufsicht von Pädagogen in Kursen Einblicke in grundlegende handwerkliche Tätigkeiten. Und versetzen sie in die Lage, in einem Bewerbungsgespräch davon erzählen zu können. Wenn ich selbst mal einen Blechbecher gelötet habe, kann ich vom Leder ziehen.

ABENDBLATT: Wie kommt das bei den Schülern an?

DEPPE-SCHWITTAY: Sie müssten dabei sein - eine super Atmosphäre. So müsste Hauptschule immer laufen dürfen.

ABENDBLATT: Klingt toll. Nur sollte das nicht Teil des normalen Unterrichts sein?

DEPPE-SCHWITTAY: Genau da liegt das Problem: Es gibt nur noch wenige Lehrer, die den grundlegenden, fachgerechten Umgang mit Werkstoffen und Werkzeugen beherrschen. Also gibt es auch diesen Unterricht nicht mehr - mit verheerenden Folgen.

ABENDBLATT: Welche sind das?

DEPPE-SCHWITTAY: Unsere Schüler müssen ihre Berufswahl trotz Praktika auf einer Grundlage treffen, die ihnen gar nicht gelegt ist. In der Sekundarstufe I gibt es offiziell keinen Werkunterricht. Die Hauptschule ist einfach nicht mehr adressatengerecht.

ABENDBLATT: Was genau muss sich ändern?

DEPPE-SCHWITTAY: Die Hauptschule muss wieder das werden, was sie einmal war: eine Schule für Schüler, die handwerkliche und technische Begabungen haben. Die Hauptschüler, die können was! Doch das spielt in unserem Schulsystem so gut wie keine Rolle. Wir müssen endlich anfangen, auf dem, was sie können, aufzubauen und das zum Kern des Unterrichts machen. Dann haben wir als Schulform auch wieder eine Berechtigung.

ABENDBLATT: Das Zauberwort heißt also Praxisbezug.

DEPPE-SCHWITTAY: Ja. Die Sache ist die Autorität, nicht die Person. Mathematik- und Deutschunterricht brauchen wir auch, aber nur als Motor. Unsere Schüler haben zusammen mit einem Architekten einen Grill konstruiert und mithilfe eines Maurers gebaut. Nicht einfach so, sondern in einem bestimmten Winkel. So haben sie den Satz des Pythagoras gelernt.

ABENDBLATT: Wie könnte Ihr Modell ganzheitlich Schule machen?

DEPPE-SCHWITTAY: Wir müssen versuchen, auch die Betriebe und Gewerbeschulen stärker einzubinden. Ich könnte mir vorstellen, mit Betrieben aus der Nachbarschaft praktizierte Partnerschaften einzugehen, die von beiderseitigem Nutzen sind. So könnten Meister stundenweise für Schüler da sein, während Lehrkräfte im schuleigenen Computerraum IT-Unterricht für Lehrlinge abhalten.