Schon vor vielen Jahren sind meine Eltern aus Afghanistan nach Deutschland immigriert, um ein normales Leben führen zu können. In einem vom Krieg...

Schon vor vielen Jahren sind meine Eltern aus Afghanistan nach Deutschland immigriert, um ein normales Leben führen zu können. In einem vom Krieg zerborstenen Land wie Afghanistan und mit der ständigen Angst, auf der Straße angegriffen zu werden, konnten sie nicht mehr leben. "Die Mujaheddin", so sagen sie oft, "haben die Bürger Afghanistans lebendig begraben."

Von Deutschland erhofften sie sich die Ruhe und die Zukunftssaussichten, die ihnen ihrem Land abhanden gekommen waren, nicht nur für sich, sondern auch für ihre Familie.

Ich habe drei Geschwister, eine ältere Schwester, einen älteren Bruder und eine Zwillingsschwester. Laut Gesetz sind wir alle deutsche Bürger - meine Geschwister und ich, wir sind alle hier in Hamburg geboren.

Ich bin dankbar dafür, ein normales Leben führen zu können: in einem Land, in dem ich nicht allzu großen Gefahren ausgesetzt bin. In einem Land, in dem ich die angestrebten Ziele erreichen und schließlich die eigene Karriere beginnen kann - egal, ob ich ein Mann oder eine Frau bin.

Trotzdem fühle ich mich hin- und hergerissen zwischen den verschiedenen Welten und den Herausforderungen, denen ich mich tagtäglich stellen muss. Auf der einen Seite sind da meine deutschen Freunde, Mitschüler und Lehrer und auf der anderen die - wenn auch angepasste - afghanisch geprägte Welt.

Das und mein Äußeres sind Gründe, weshalb ich mich von anderen unterscheide, wenn sie es überhaupt wahrnehmen.

Trotz allem bin ich Muslime, ich glaube an einen Gott und versuche, so oft es mir möglich ist, meine Gebete einzuhalten. Ich frage mich oft, wie ich einmal meine Kinder erziehen werde, ob ich es schaffe, ihnen unsere eigentliche, afghanische Kultur genauso nahelegen zu können, wie meine Eltern es bei uns getan haben.

Ich habe mich weitgehend der deutschen Kultur angepasst, sie ist ein Teil meiner selbst, beziehungsweise hat die Basis dieses Teils bei mir gebildet. Ich versuche, das richtige Zwischenmaß zu finden, zwischen den zwei Teilen des Alltags, die so unterschiedlich sind, dass sie auf den ersten Blick nichts miteinander gemein haben.