Ich musste als Jugendliche eine wichtige Entscheidung treffen, die das ganze Leben veränderte. Das war unbeschreiblich schwer. Schon mit 13 Jahren...

Ich musste als Jugendliche eine wichtige Entscheidung treffen, die das ganze Leben veränderte. Das war unbeschreiblich schwer. Schon mit 13 Jahren habe ich immer wieder gesagt, dass ich mit 16 ganz bestimmt nicht mehr zu Hause leben werde, und letztendlich war es auch so. Jetzt lebe ich nämlich mit sechs anderen Jugendlichen in einer betreuten Wohngruppe.

Es ist nicht immer leicht hier, aber meine Entscheidung bereue ich auf keinen Fall. Die meisten Jugendlichen, die hier wohnen, hatten nicht die Wahl, so wie ich, sondern wohnen hier unfreiwillig. Ihre Eltern trinken, schlagen ihre Kinder oder tun Dinge, die sich andere Menschen nicht mal in ihren schlimmsten Träumen vorstellen können. Es ist erschreckend, welche Schicksale es gibt.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Eltern einfach keine Kontrolle mehr über ihre Kinder hatten. Diese landen dann auch hier bei uns in der Wohngruppe.

Meine Eltern sind geschieden, solange ich denken kann. Ich kenne also kein "normales" Familienleben.

Ich bin zu meinem Vater gezogen, weil ich zu meiner Mutter eine weniger starke Bindung hatte.

Bei meinem Vater lief erst alles gut und ich war ein ganz normales, glückliches Kind, das eigentlich ein ziemlich normales Leben führte.

Aber als sich dann eine neue Frau in unser Leben drängte, ging alles bergab. Erst war sie nett zu mir, später nicht mehr. Ich war unglaublich traurig, als ich meinen Vater vor die Wahl stellte: "sie oder ich". Er konnte nicht sofort antworten und deswegen ging ich. Zu meiner Mutter durfte ich nicht ziehen und wollte es auch ehrlich gesagt nicht, also zog ich in eine betreute Wohngruppe.

Meine Vergangenheit ist eigentlich noch viel tiefgehender, zu tiefgehend, um sie hier zu veröffentlichen. Ich kann nur sagen, dass das Jugendamt darüber entscheiden musste, wo ich bleibe.

Das ist immer so. So einfach in eine betreute Wohngruppe zu ziehen, nur weil man sich mit seinen Eltern nicht gut versteht, ist eigentlich nicht möglich.

Manchmal ist es ziemlich hart. Vor allem an Weihnachten oder anderen Feiertagen, die man eigentlich mit seiner Familie feiert. Oft muss ich weinen und frage mich, ob es vielleicht doch alles meine Schuld war.

Dann kann ich mit meinen Betreuern reden. Manche von ihnen habe ich sogar schon richtig ins Herz geschlossen. Auch einige Bewohner hab ich echt lieb gewonnen.

Einer meiner Mitbewohner wurde achtzehn und musste ausziehen. Es war ein Junge, den ich besonders gern hatte. Er war mein bester Freund für diese Zeit, in der wir Zimmer an Zimmer gewohnt hatten, und wir haben uns so viel anvertraut.

Ich war sehr traurig, als er weg war, aber so ist das bei uns nun mal. Bewohner kommen und gehen, das ist normal.

Mit ihnen kann ich über meine Probleme reden, weil sie mich verstehen und oft dasselbe durchmachen mussten wie ich. Jeder hat trotzdem seine eigene kleine tragische Geschichte. Aber "zusammen ist man bekanntlich weniger allein".