Ein Pinguin stellt seinem Artgenossen gekonnt das Bein, ein einsamer Eisangler am Pol wird von einem Wal urplötzlich aus dem Gleichgewicht katapultiert, während der Hochzeitszeremonie fallen die dritten Zähne der Braut in den Silberbecher des Pastors, Olli Kahn kickt virtuell mit einem Hund , Nemo wird zu Sushi verarbeitet, und der Chef entpuppt sich bei der Frage nach mehr Gehalt als putziges Äffchen, dem die Haare zu Berge stehen. Späße wie diese sausen häufiger denn je durch Stadt und Land, in Windeseile via Internet in den Computer-Briefkasten geschickt. Wurden Witze früher per Mundpropaganda oder Telefon verbreitet, sind Gimmicks als E-Mail angesagter denn je mit immer raffinierteren technischen Möglichkeiten, kleine Filme oder Werbespots in Sekundenschnelle transferieren zu können. Gezählt werden (können) die Gags im Datennetz zwar nicht, Experten jedoch schätzen die Anzahl der deutschlandweit auf diese Art im vergangenen Jahr versandten Lachbotschaften auf mehrere hundert Millionen mit zunehmender Tendenz. Weltweit gingen 2005 viele Milliarden dieser mehr oder weniger gehaltvollen Nachrichten durch das elektronische Datennetz. "Zum Kaffee gibt's morgens oft 'ne Fun-Mail", sagt Klaas Benesch (38), Unternehmensberater aus Hamburg. "Anschließend geht es gut gelaunt an die Arbeit." Bei einem Internet-Anbieter hat er ein Gratis-Abonnement gebucht, das Tag für Tag einen E-Mail-Gimmick beschert nicht immer ist die Post stubenrein. Zehntausende lassen sich auf diese Art im Büro begrüßen. Während der Absender zu erkennen ist, bleibt die Urheberschaft fast immer unklar. Fotos, Witze, Comics, Spiele, Telefonstreiche privater Radiostationen und Montagen werden im Nirwana des Internets entdeckt, kopiert und weiter gereicht. Mancher macht große Augen, wenn ihn das delikate Schmankerl der Geburtstagsfeier, auf der privaten Homepage deponiert, auf Umwegen ganz woanders her erreicht. Nicht immer ist das lustig. So wie bei dem fidelen Damenkränzchen aus Refrath, welches es im Karneval ein bißchen zu frivol trieb und nun millionenfach für Heiterkeit und Schadenfreude sorgt. Und auch der ältere Herr, der sein Auto beim Rangieren versehentlich in der Auslage eines Dessous-Geschäfts zwischenparkte, wird über die Verbreitung des Schnappschusses wenig amüsiert sein. Digitale Kameras, oft im Handy integriert, ermöglichen unkomplizierte Vervielfältigung. Pleiten, Pech und Pannen, an allen möglichen oder unmöglichen Orten auf einem Chip festgehalten und als E-Mail verschickt, machen den Weg frei zu mannigfaltigem Schabernack. Weh- oder juristische Klagen bringen in einem weitgehend rechtsfreiem Raum wie dem internationalen Datennetz gar nichts: Wer einmal in die Fänge der Online-Spaßmacher gerät, kann nur auf die Gnade allmählichen Vergessens setzen. Oft indes tauchen zotige Mails, die lange in der Versenkung verschwunden waren, urplötzlich wieder auf. Auch auf dieses Phänomen setzen Kreative aus Firmen und Werbeagenturen, die den neuen Markt zunehmend entdecken. Je pfiffiger und überraschender der verkappte Reklamespot, desto rasanter das Tempo der Mail-Verbreitung. Überall auf der Welt unterwegs sind kurze, ebenso professionell wie intelligent produzierte Filmchen der amerikanischen Biermarke "Bud light". In Deutschland aktuell angesagt ist eine E-Mails namens "Bauernschläue"
. Erst nach dem finalen Gag outet sich der Produzent des Schokoriegels "Snickers" als Absender. Das Unternehmen hat die Lacher auf seiner Seite und hofft langfristig auf ein Imageplus und steigende Verkaufszahlen. "Während deutsche Firmen mit dieser Art Werbung meist noch Probleme haben, boomt das Geschäft in den USA", weiß Alexander Bernhardt (35), Internet-Profi von Jugendbeinen an und Geschäftsführer der Agentur "hauptsache.net" in Hamburg-Altona. Das Zauberwort: Guerilla-Marketing. Im Gegensatz zur klassischen Reklame, so Bernhardt, sei das Ergebnis der Internet-Aktivitäten nur sehr schwer meßbar. Andererseits ist die Zielgruppe jüngerer bis mittelalterer Computernutzer für jeden Konzern interessant. "Mancher setzt ein Ei in die Internet-Welt und wundert sich über explosionsartige Verbreitung", sagt Alexander Bernhardt. So wie der US-Amerikaner Victor Novone, dessen Name für viele Mail-Spaßvögel legendären Klang hat. Bei der Jobsuche kam Victor auf den cleveren Gedanken, statt epischer Bewerbungsschreiben lieber ein praktisches Beispiel seines Könnens ins Netz zu stellen. Er schuf einen lustig anmutenden Außerirdischen mit einem Auge, der zu Popmusik tanzte, nach etwa 30 Sekunden jedoch von einer tief fliegenden Discokugel auf seinem Kopf heimgesucht wurde. Das Kunstwerk war so gut und niedlich gemacht, daß Victors Alien zig millionenfach durch aller Herren Länder geisterte. Hohe Bekanntheit und ein gut bezahlter Job waren die Folge. Auch singende Nikoläuse, brünstig röhrende Hirsche oder ein nackter 3-D-Frosch mit altem Motorradhelm ("Crazy Frog") brachten es zu Weltruhm. Der Frosch wurde just Handy-Klingelton 2005. Das ist lustig oder nervig, je nach Geschmack, bringt auf jeden Fall reichlich Geld. Stets nach dem Schneeball-Prinzip. Einer findet den Spot witzig, leitet ihn per Mail an Freunde weiter und schon geht's rund. Profis haben auf ihrem PC Adressbücher eingerichtet: Ein Mausklick, und beliebig viele Empfänger können über den Unfug lachen. Oder eben auch nicht. Nicht immer wird der Humor allseits geteilt. Besonders dann nicht, wenn die Jux-Dateien Viren enthalten, die den Computer verseuchen oder lahmlegen. Bisweilen werden unbeabsichtigt "Trojanische Pferde" auf die Internet-Reise geschickt, Programme, die sich auf der Festplatte selbständig machen und unheilbringende Wirkung haben. Anti-Virenprogramme können Schutz bieten. Auch der Arbeitgeber ist nicht immer erfreut über die Mail-Aktivitäten der Mitarbeiter. Zwar dauern die Aktivitäten selten mehr als ein paar Sekunden, dennoch lenkt zuviel Schnickschnack in der Firmen-Mailbox von der Konzentration ab. Von Speicherkapazitäten ganz zu schweigen. Verdruß bereiten ebenso Kettenbriefe diverser Machart. Angeblich winken Glück oder drohen Pech, wenn die elektronischen Botschaften nicht binnen kurzer Zeit an möglichst viele Kontakte weiter gereicht werden. Vor Weihnachten tauchte ein "Chinesisches Horoskop" auf zehntausenden Bildschirmen Wer dahinter steckte, blieb unklar. Wie so oft. Es können Bösewichte sein, die Viren verbreiten oder Wichtigtuer, deren Werk massenhaft vervielfältigt wird. In der Regel jedoch sind kreative Müßiggänger, studentische Internet-Experten Urheber der Gimmicks. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Was früher als stille Post Spaß machte, geht heutzutage online auf den Weg. Wem vereinzelte Witzmails nicht ausreichen, wird im Internet fündig. Unter www.lustich.de, www.lachen.de, www. netzhumor.de oder zum Beispiel www.autsch.de können Hunderte Dateien betrachte oder heruntergeladen werden. "Das Interesse an solchen Späßen steigt weiter", meint der Hamburger Thomas Promny (24), Gründer und Manager bei www.lustich.de . Er verzeichnet monatlich vier Millionen Kunden, die mehr als zehn Millionen Dateien auf ihrer heimischen Festplatte abspeichern. Nicht immer lacht dabei am besten, wer zuletzt lacht.