Berlin. Deutscher Staatsangehöriger bleibt man nicht unbedingt ein Leben lang. Unter diesen Umständen droht der Verlust der Staatsbürgerschaft.

Mehr als 120.000 Menschen ohne Staatsangehörigkeit leben in Deutschland. Das hat eine Recherche des "Mediendienst Integration" offenbart. Zumeist handelte es sich dabei um Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind oder zu einer diskriminierten Volksgruppe im Staatsgebiet ihrer Herkunft gehören. Doch können auch Menschen mit deutschem Pass staatenlos werden? Die Antwort lautet: ja. Die Umstände für diesen Fall sind aber rar gesät.

Denn das Grundgesetz sieht laut Artikel 16 einen Entzug der Staatsbürgerschaft nicht vor. Aber auch eine doppelte Staatangehörigkeit war lange Zeit nicht vorgesehen. Wer nach Deutschland einwandert, kann durch das neue Einwanderungsgesetzes inzwischen jedoch seine erste Nationalität dann behalten – sogar, wenn das Herkunftsland nicht der EU angehört. Andersherum funktioniert das allerdings nicht. Formal gilt: Wer keine Sondergenehmigung zum Fortbestand der deutschen Staatangehörigkeit besitzt, gilt mit Annahme einer Nationalität außerhalb der EU und der Schweiz als ausgebürgert.

Streitpunkt IS: Unter welchen Umständen kann man Terroristen ausbürgern?

Im Anschluss an den Zerfall des sogenannten Islamischen Staates (IS), der als Terrormiliz weite Teile Syriens und des Iraks beherrschte, entsponn sich eine Diskussion über die Handhabe mit IS-Kämpfern europäischer Herkunft. Tausende hatten sich von Westeuropa aufgemacht, um das selbsternannte Kalifat in der arabischen Welt zu unterstützen – rund 1050 davon waren deutsche Staatsangehörige.

Im August 2019 verabschiedete der Bundestag von den Greueltaten des IS motiviert die dritte Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Darin wurde gesetzlich festgezurrt, das deutsche Staatsbürger im Kampfeinsatz für ausländische Streitkräfte oder Milizen ihre Staatsangehörigkeit einbüßen. Allerdings nur dann, wenn eine weitere Nationalität vorliegt. Ein deutscher Staatsbürger kann von Deutschland also niemals legal in die Staatenlosigkeit gedrängt werden. Diese Lehre zogen bereits die Väter des Grundgesetz aus der inhumanen Politik der Nationalsozialisten.

Mehr Toleranz für eine doppelte Staatsbürgerschaft erhalten im Zuge des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes auch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Bisher gebot es Kindern mit Migrationshintergund aus einem Nicht-EU-Land per Geburtsoption bis Abschluss des 23. Lebensjahres zu entscheiden, ob sie die deutsche oder die ausländische Staatsbürgerschaft behalten wollen. Mit der Ausweitung der Nationalzugehörigkeitsrechte folgt die Ampel-Koalition einem EU-weiten Trend.

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Knapp 125.000 Menschen in Deutschland gehören keinem Staat an

Rund 124.500 Menschen sollen in Deutschland derzeit staatenlos sein. Aus dem Staatsgebiet des Libanon und Syrien stammen die meisten Staatenlosen, die in Deutschland Asyl vor zumeist religiöser oder ethnischer Verfolgung suchen. Dazu kommen Menschen aus ehemaligen Sowjetrepubliken, dem zerfallenen Jugoslawien sowie viele Palästinenser. Weltweit gehen die Vereinten Nation von etwa 4,2 Millionen Staatenlosen aus.