Berlin. Bei Apple Watch und Co. überholte Apple die Konkurrenz – trotz des späten Markteinstiegs. Schafft auch der HomePod die Aufholjagd?

Hängt Apple der Konkurrenz hinterher? Dieser Eindruck drängt sich spätestens seit der Produktvorstellung bei Apples Entwicklerkonferenz WWDC zu Beginn der Woche auf, als das Unternehmen seine eigene smarte Lautsprecherbox HomePod für Dezember 2017 ankündigte – über zwei Jahre nach dem Konkurrenten Amazon.

Apple kommt spät – und das nicht zum ersten Mal. Trieb der legendäre Chef Steve Jobs seinerzeit mit Innovationen wie dem iPod, dem iPhone oder dem iPad noch eine ganze Industrie vor sich her, lässt sich Apple unter Tim Cook gern mal ein oder zwei Jahre Zeit, um Produkte zu zeigen, mit denen andere längst auf dem Markt sind.

Andere waren deutlich schneller als Apple

Als die Apple Watch im April 2015 erschien, stellten Konkurrenten bereits die zweite schlaue Uhrengeneration vor, der Musikstreaming-Dienst Apple Music startete erst Jahre nachdem Spotify, Rhapsody und Co. Amerikanern bereits ähnliche Musik-Flatrates anboten.

Und jetzt also der HomePod. Wieder waren die Anderen deutlich schneller: Amazon verkauft sein Echo in den USA bereits seit 2015, Google sein Konkurrenzmodell Home immerhin schon seit vergangenem Jahr.

Spät dran, aber erfolgreich

Doch bevor man Apple pauschal unterstellt, den Anschluss verloren zu haben, lohnt ein zweiter Blick: So kam die Apple-Watch zwar spät, ist jetzt aber substanziell erfolgreicher als alle anderen Smartwatches – laut der Marktforscher von IDC setzte Apple im vergangenen Jahr mit 10,7 Millionen Uhren mehr als doppelt so viel ab, wie der Zweitplatzierte Samsung.

Auch Apple Music holt gegenüber der Konkurrenz mit großen Schritten auf: Seit Jahresbeginn wuchs die Zahl der Abos von 20 auf 27 Millionen zahlende Nutzer – der Abstand zu Branchenprimus Spotify (über 50 Millionen Abonnenten) schmilzt. Apple scheint vieles richtig zu machen.

Späte Kopie oder eigenständiger Ansatz?

Es lohnt also, sich Apples smarte Musikbox genauer anzuschauen. Zunächst das Offensichtliche: HomePod ist im Kern das, was auch Amazon Echo und Google Home sind: eine vernetzte Lautsprecherbox, die per Sprachbefehl bedient werden kann – bei Amazon heißt das virtuelle Gegenüber Alexa, bei Google schlicht Assistant und bei Apple Siri.

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    Doch während Amazon und Google ihre Box als smarten Assistenten vermarkten, der auch Musik abspielen kann, setzt Apple den Fokus genau umgekehrt: Laut der Präsentation soll HomePod in erster Linie ein Hi-Fi-Gerät zum Musikabspielen sein – mit Audiofähigkeiten, die andere Geräte bislang nicht bieten.

    Deutlich verbesserte Klangqualität

    Letzteres will man durch den Einsatz von einer Menge Hightech bewerkstelligen: Im eiförmigen HomePod stecken neben einem beachtlichen Vier-Zoll-Basslautsprecher noch sieben weitere Hochtöner sowie sechs Mikrofone. Sie sollen dafür sorgen, dass Musik in jedem Raum und an jeder Position besonders klingt.

    Apples Box kann laut der Präsentation aber deutlich mehr, als etwa Sonos mit seiner „Trueplay“-Technik zum Einmessen der Lautsprecher. Die sieben kreisförmig angeordneten Hochtöner können separat angesteuert werden und durch Audiotricks wie „Beamforming“ kann HomePod Musik ganz gezielt in bestimmte Bereiche des Raums senden – schon das allein könnte die Klangqualität deutlich verbessern.

    HomePod soll Musik zusätzliche Räumlichkeit geben

    Apple geht aber noch einen Schritt weiter und zerlegt die Musik in Komponenten – etwa Hauptstimme, Hauptinstrumente und Hintergrundklänge. Während die Hauptstimme direkt in den Raum gestrahlt wird, lässt sich die Hintergrundebene indirekt über die Reflexion von Wand oder Möbeln dazu mischen. Das soll der Musik einerseits eine zusätzliche Räumlichkeit geben und andererseits selbst akustisch ungünstige Zimmer gut klingen lassen.

    Eine so weitreichende Klangoptimierung findet man tatsächlich weder bei klassischen Multiroom-Boxen von Sonos oder Samsung, noch bei den smarten Lautsprechern von Google und Amazon. Derlei Soundtricksereien erfordern offensichtlich aber auch einiges an Rechenleistung: Laut Apple steckt in seinem neuen Lautsprecher zu diesem Zweck ein A8-Prozessor, derselbe Chip der auch das iPhone 6 antreibt.

    Smarte Box mit sechs Mikrofonen ausgestattet

    Ob dieser ganze Aufwand am Ende auch entsprechend deutlich hörbar ist, wird man erst sagen können, wenn im Dezember die ersten Geräte ausgeliefert werden. Journalisten, die bei der WWDC bereits lauschen und mit Konkurrenzgeräten von Amazon und Sonos vergleichen durften, zeigten sich zwar durchaus angetan – wirklich belastbar sind solche Eindrücke aber nicht. Immerhin: Auf dem Papier hebt sich Apple hier vom restlichen Feld merklich ab.

    Natürlich steckt auch Siri in der smarten Box – sechs Mikrofone sorgen dafür, dass das Kommando „Hey Siri“ auch von der anderen Seite des Zimmers und selbst bei lauter Musik verstanden werden soll. Dass diese sogenannte „Fernfeld-Spracherkennung“ gut funktioniert, beweist Amazons Echo eindrucksvoll.

    Beeindruckende Technik, erfreulicher Datenschutz

    Wie Amazon und Google hört also auch Apple immer mit. Erfreulich ist dabei aber, wie mit den Sprachdaten umgegangen wird: Fallen die Signalworte „Hey Siri“, wird zwar der folgende Sprachschnipsel an Apples Server geschickt, das aber verschlüsselt und mit einer anonymen Siri-ID versehen. Apple kann also den jeweiligen Nutzer nicht zuordnen – ähnliches würde man sich von Konkurrenten wünschen.

    Bei der Vorstellung hob Apple vor allem die Siri-Unterstützung im Zusammenspiel mit Apple Music hervor – natürlich lässt sich HomePod aber auch nutzen, um HomeKit-kompatible Smarthome-Geräte zu steuern, Timer zu stellen oder sich Nachrichten oder das Wetter vorlesen zu lassen.

    HomePod kostet in USA 349 Dollar

    Hat sich das Warten also gelohnt? Mit Sicherheit kann man das derzeit nicht beantworten: Ein Paradigmenwechsel ist HomePod zwar nicht – trotzdem hat Apple ein durchdachtes Produkt vorgestellt, der Fokus auf Musik überzeugt. Dass aktuell nur Apple Music unterstützt wird, dürfte viele Nutzer allerdings abschrecken.

    Größtes Manko ist bislang aber der Preis: 349 Dollar soll HomePod zum Start in den USA kosten. In Deutschland erscheint das Gerät erst später, der Preis dürfte entsprechend bei 400 Euro oder sogar leicht darüber liegen. Bei der gebotenen Technik ist das zwar nachvollziehbar – für rund 50 Euro weniger bekommt man hierzulande aber gleich zwei Amazon Echo oder eine Sonos Play:3 und den kleinen Echo Dot. Da muss Apples neue Box erst einmal gegen anklingen.