Hamburg. Das Büro Wacker Zeiger präferiert die klare Linie. Ihr Markenzeichen sind etwa Häuser in Kubenform mit fein lamellierten Holzfassaden.

Es ist acht Uhr morgens, als Angelika Wacker bemerkt, dass die Fliesen im Windfang falsch verlegt worden sind. Im Gegensatz zu ihrer Bauherrin, die seit fünf Wochen mit ihrer Familie auf einer Baustelle wohnt, bleibt die Architektin gelassen: Bestimmt, aber ruhig hört man sie mit dem Fliesenleger reden. Der muss noch einmal von vorn mit der Arbeit beginnen.

Probleme mit Handwerkern habe sie noch nie gehabt, sagt die Frau mit den braunen Haaren und der runden Hornbrille. „Wer Konflikte nicht austragen kann, ist in diesem Beruf falsch.“ Mit ihrem Mann Ulrich Zeiger, den sie aus ihrer Zeit im Büro des Hamburger Architekten Bernhard Winking kennt, hat sich die gebürtige Stuttgarterin vor 24 Jahren selbstständig gemacht. Heute sitzen Wacker Zeiger Architekten im vierten Geschoss einer ehemaligen Schraubenfabrik in Ottensen.

Die Architekten, die auch Altersheime, Kitas und Gemeindehäuser planen, haben sich vor allem mit ihren Einfamilienhäusern bundesweit einen Namen gemacht. Ihre puristisch-eleganten, ineinander geschobenen und gestapelten Kuben atmen in ihrer skulpturalen Schlichtheit den Geist ihres Vorbilds, des berühmten Schweizer Architekten Peter Zumthor. Zu einer Zeit, als Holzfassaden in der Klinkerstadt Hamburg noch als exotisch galten, entwarfen die beiden schon fein lamellierte Fassaden aus dem Naturmaterial. Sie sind inzwischen zu ihrem Markenzeichen geworden, vielleicht auch deshalb, weil sie den scharfkantigen, kompromisslos modernen Häusern im doppelten Wortsinn Wärme verleihen.

Bauen im Bestand ist eher eine Ausnahme

„So etwas wie das hier machen wir eigentlich nicht mehr“, sagt Angelika Wacker, während sie uns durch die Räume der hundert Jahre alten Rotklinker-Villa in Blankenese führt, in deren Entree die schwarzen Fliesen verlegt werden. Eine Freundin, mit der die Architektin in der Blankeneser Kantorei singt, hatte sie gebeten, die 50 Jahre alten Bäder, Küche und Garderobe zu modernisieren. Und obwohl kleine Aufträge wie diese wenig lukrativ sind, merkt man Angelika Wacker an, dass ihr das Bauen im Bestand, von dem ihr Büro in den ersten Jahren gelebt hat, immer noch Spaß bringt.

Ein knappes Bauherren-Budget betrachtet die 56-Jährige, die mittlerweile rund 40 Villen für Besserverdienende zwischen den Elbvororten und Reinbek entworfen hat, als Herausforderung. „Im Zwang zur Beschränkung entwickelt sich doch erst echte Kreativität“, glaubt sie und widerspricht dem verbreiteten Vorurteil, dass von Architekten geplante Häuser teurer sind als die von der Stange. „Gerade bei einem begrenzten Budget ist es wichtig, Schwerpunkte zu setzen. Diese können dann aufwendiger gestaltet sein oder aus besonders hochwertigem Material, während andere Dinge nach rein funktionalen Gesichtspunkten geplant werden. Es muss nicht aus jeder Ecke ein bunter Hund schreien.“ So seien die schwarzen Fliesen im Windfang aus teurem, durchgefärbtem Feinsteinzeug gefertigt, während für die Wände preisgünstiger bemalter Gipskarton verwendet wird.

Auftrag wird eher abgelehnt als die Überzeugung zú verraten

Anders als Angelika Wacker und ihr Mann scheuen viele Kollegen die zeit- und oft auch nervenraubende Auseinandersetzung mit den Bauherren – vielleicht einer der Gründe, warum hierzulande gerade einmal fünf Prozent aller Einfamilienhäuser von Architekten geplant werden. „Wir sind inzwischen in der glücklichen Lage, bei unseren Auftraggebern keine Überzeugungsarbeit mehr leisten zu müssen“, sagt die Architektin. „Wer zu uns kommt, kennt meist unsere Architektursprache und weiß, was ihn erwartet.“ Und wer mit dem Wunsch nach einem Häuschen im Retro-Stil kommt, muss sich einen anderen Architekten suchen, macht Angelika Wacker unmissverständlich klar. Da sind sie und ihr Mann konsequent. Lieber lehnen sie einen Auftrag ab als die Überzeugung zu opfern.

Dass Häuser von Planern, gebaut in der Tradition der Klassischen Moderne, dem Klischee widersprechen, unterkühlt zu wirken, beweist das Privathaus des Architektenpaars. Den beiden ineinander geschobenen, selbstbewusst aus dem Blankeneser Elbhang ragenden Kuben sieht man nicht an, dass sie schon 25 Jahre alt sind. Und auch wenn die Besucherin es der Hausherrin beim Betreten und beim Anblick des empfindlichen hellen Birkenholzparketts pflichtschuldigst gleichtut und die Schuhe auszieht, strahlt die Wohnung des Zweifamilienhauses doch so viel skandinavische „Hyggeligkeit“ aus, dass man gern auf Wollsocken geht.

Ihr eigenes Haus ist Prototyp für künftige Entwürfe

Im eigenen Haus konnte Angelika Wacker ihr Credo „Nichts altert so schön wie Naturmaterialien“ konsequent umsetzen. Lamellen aus sibirischer Lärche dienen vor den Schlafzimmerfenstern als Sonnen-, Sicht- und Wärmeschutz. Eine einseitig eingespannte Birkenholztreppe führt in den oberen Stock. Der 60 Quadratmeter große, langgestreckte Raum ist gleichzeitig Wohn-, Esszimmer und Küche. Zwei bodentiefe schwarz gestrichene Panoramafenster bilden den Rahmen für überwältigend schöne Ausblicke auf Elbe und Süllberg. Man bedauert, nicht im Sommer gekommen zu sein, wenn der mit Bangkirai ausgelegte Balkon zum Sonnenbaden in diesem an ein Vogelnest in den Baumwipfeln erinnernde Ort einlädt. Angelika Wacker und Ulrich Zeiger haben mit dem Bau dieses Hauses mehr Mut bewiesen als die meisten ihrer Kollegen, die häufig privat die Altbauwohnung dem eigenen Entwurf vorziehen. Sich am eigenen Haus messen zu lassen, einen Prototyp für künftige Entwürfe zu präsentieren und den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden, zeugt vom Selbstbewusstsein.

Verändern möchte sie heute nichts mehr an ihrem Haus, sagt die Hausherrin. Modische Aufgeregtheiten mit kurzem Verfallsdatum sind nicht ihre Sache, wie man auch auf der Homepage des Büros erfährt. Dort heißt es: „Nicht, was im Moment gefällt, ist automatisch gut – sondern was zeitlos 50 Jahre und länger stehen bleiben kann.“

29. April: Hauschild-Siegel archcitects