Berlin. Die Coffee-to-go-Behälter verursachen viel Müll. Der Bund weigert sich gegen ein Mehrweg-System. Jetzt müssen die Länder aktiv werden.

Sie stapeln sich in den Mülleimern, liegen in Parks oder Bahnhöfen: Einwegbecher für den Kaffee „to go“, für unterwegs also, sind allgegenwärtig. Jährlich landen etwa 2,8 Milliarden Stück im öffentlichen Raum, 179 Millionen davon allein in Berlin. „29.000 Tonnen Papier und 1,4 Milliarden Liter Wasser fließen in die Produktion“, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Vor über einem Jahr sagte die DUH den Einwegpappbechern den Kampf an. Sie rief Politik und die Großen der Kaffeebranche an einen Tisch, um über ein Mehrwegbechersystem zu sprechen, das deutschlandweit funktionieren könnte. Doch das Umweltministerium sperrt sich bis heute. „Eine bundeseinheitliche Regelung für die Verringerung von Coffee-to-go-Bechern sieht der Bund derzeit nicht vor“, heißt es auf Anfrage. Man setze auf Freiwilligkeit. Jetzt wagen sich die Bundesländer an eine eigene Umsetzung.

Das Problem: Kunststoff Polyethylen

Handelsübliche To-go-Becher sind von innen mit Polyethylen beschichtet. Der Kunststoff macht nur etwa fünf Prozent der Becher aus, sorgt aber dafür, dass sie nur langsam abgebaut werden, wenn sie in Wiesen, Wäldern und Flüssen landen. „Die Kunststoffteilchen zerfallen in Mikroplastik und sickern in Boden und Wasser“, sagt Fischer.

In der Papiertonne liegen Becher mit Kunststoffbeschichtung falsch. Werfen Verbraucher sie in die gelbe Tonne, landen die Becher aber trotzdem in Papierrecyclinganlagen. In denen können sie nicht recycelt werden, weil sich der Kunststoff zu schwer vom Papier trennen lässt. „Meist werden sie ausgesondert und verbrannt“, sagt Fischer. Dennoch ist der Kunststoff unverzichtbar für die Becher – die Flüssigkeiten würden die Pappe sonst aufweichen.

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    Lösung 1: Mehrwegbecher

    Mehrwegbecher aus Edelstahl oder Kunststoff. Bei jeder Wiederverwendung lassen sich laut DUH 430 Milliliter Wasser, 0,1 Kilowattstunden Strom und 21 Gramm CO2 sparen, die sonst bei der Herstellung eines neuen Pappbechers anfallen würden. Diese Mehrwegbecher gibt es bereits in allen Formen und Farben, aber nur die wenigsten Kunden nehmen sie mit in eine Kaffeekette. „Viele finden das unpraktisch, sie müssen ihn den ganzen Tag herumschleppen, ihn wieder mit nach Hause nehmen und spülen“, sagt Fischer. Vom Handel käme nur wenig Initiative, das zu ändern.

    Lösung 2: Bechersteuer und Pfandsystem

    Um die Anbieter auf Trab zu bringen, fordern die Umweltschützer eine Verbrauchssteuer von 20 Cent pro Becher. „So eine Abgabe wäre auf Landesebene rechtlich möglich, wie ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Berliner Abgeordnetenhauses schon 2016 gezeigt hat“, erklärt Fischer. Um diese Steuer zu umgehen, könnten Kaffeeketten oder Bäckereien Pfandbecher ausgeben.

    „Das System müsste funktionieren wie bei Mineralwasserflaschen“, so Fischer. Das heißt: Kunden müssten ihre Becher überall wieder abgeben können, auch zum Beispiel bei Pfandannahmeautomaten. „Wie bei Mehrwegflaschen müsste es ein Pfandausgleichsystem geben, so dass kein Händler benachteiligt wird“, ergänzt Fischer. Am besten würde ein solches System seiner Ansicht nach bundesweit funktionieren, „nur so erreicht man den Massenmarkt“.

    McDonald’s gibt Rabatt für Becher-Mitbringer

    Doch die Bundesregierung unterstützt keine der beiden Maßnahmen. Einzelabgaben auf ein bestimmtes Produkt seien meist nicht sinnvoll, sagt ein Ministeriumssprecher dieser Redaktion. Man unterstütze „ausdrücklich freiwilliges Engagement“. Dazu könnte das Angebot von Alternativen zum Wegwerfbecher gehören. Das Ministerium sei dazu „auch im Gespräch mit den großen Ketten“.

    Die drei nach Anzahl der Filialen größten Anbieter von To-go-Kaffee in Deutschland sind McDonald’s, Starbucks und Tchibo. Sie halten sich derweil zurück. Seit November könnten Kunden ihre eigenen Becher in McCafé-Filialen wieder befüllen lassen. Dafür gebe es einen 10-Cent-Rabatt, teilt McDonald’s mit. Auch Thermobecher könnten die Kunden kaufen, ein Pfandsystem sei derzeit nicht vorgesehen.

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      Firmen werben nicht mit Rabatt-System

      Beworben wurde die Neuerung ebenso wenig wie bei der Konkurrenz. Starbucks etwa hat das gleiche System bereits 2002 aus den USA mitgebracht. 30 Cent Nachlass bekommen Kunden, die ihren eigenen Becher mitbringen, so Starbucks. Auch bei Tchibo können sich Kunden nach Angaben des Unternehmens „schon seit Langem“ eigene Becher wieder befüllen lassen. „Dass viele Kunden davon erfahren, liegt nicht im Interesse der Anbieter, sie setzen nach wie vor lieber auf Einweg“, kritisiert Fischer.

      Das planen die Bundesländer

      Hessen ging als Erstes mit einer bundesweiten Initiative an den Start. 2016 stellte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) das Konzept „BecherBonus“ vor: Kunden bekommen einen Preisnachlass von mindestens 10 Cent, wenn sie einen eigenen Becher mitbringen. Unternehmen, die mitmachen, werden auf der Aktionsseite veröffentlicht. Thomas Fischer ist skeptisch, ob diese Methode viele Verbraucher erreicht: „Wir schätzen, dass nur etwa 10 bis 15 Prozent der Kunden einen eigenen Mehrwegbecher mitbringen.“ Einen Schritt weiter gehen Berlin und Hamburg.

      In der Hansestadt arbeitet die Behörde für Umwelt und Energie mit dem Handel zusammen. Noch in diesem Jahr soll das Pilotprojekt eines einheitlichen Pfandmehrwegsystems starten. „Ziel ist, nach und nach möglichst alle an diesem Markt Beteiligten einzubeziehen“, sagt Ulrike Sparr, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Umwelt, Naturschutz und Energie.

      Auch Berlin plant, „gemeinsam mit Handels- und Umweltverbänden ein Mehrwegsystem für Coffee-to-go-Becher“ zu entwickeln und einzuführen, heißt es in einem Antrag der Fraktionen von SPD, Linke und Grünen, den das Abgeordnetenhaus in den kommenden Wochen absegnen soll. Die Umwelthilfe hofft auf Erfolge: „Wenn diese Pfandsysteme auf Landesebene funktionieren, hat das Strahlkraft für ganz Deutschland“, so Fischer.