Berlin. Vitamine und Mineralstoffe gibt es auch als Pille oder Pulver. Aber Verbraucherschützer warnen: Die Präparate können bedenklich sein.

Sie versprechen Energie und Vitalität und füllen in vielen Supermärkten und Drogerien inzwischen lange Regale: Nahrungsergänzungsmittel mit angepriesener Wirkung für Muskeln, Nerven, Herz und Nieren sind zu einem bedeutenden Geschäft geworden.

Dabei mangelt es den meisten Menschen hierzulande aus Expertensicht gar nicht an Magnesium, Kalzium oder Vitaminen. Verbraucherschützer monieren, dass viele Präparate sogar bedenklich zusammengesetzt seien – und fordern, der Staat müsse die Angebote endlich genau prüfen und kontrollieren.

Was sind eigentlich Nahrungsergänzungsmittel?

Die Kapseln, Dragées und Brausetabletten bildeten einen Graubereich zwischen Nahrungsmitteln und Medikamenten, erläutert der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Dabei gelten sie rechtlich als Lebensmittel und müssen zwar registriert, aber nicht wie Arzneimittel amtlich zugelassen werden.

Auf den Packungen muss „Nahrungsergänzungsmittel“ stehen und eine Empfehlung fürs Einnehmen – samt Warnung, sie nicht zu überschreiten. Viele Produkte kombinieren Stoffe, etwa Magnesium plus Vitamin E. Teils gebe es aber einen wahren Informationsdschungel, kritisiert Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW. Was solle man davon halten, wenn ein Produkt 3000 Prozent einer empfohlenen Tagesmenge Vitamin B 12 in sich habe?

Luftverpackung: Große Tüte, wenig Inhalt

„Jede Menge Luft nach oben“: Unter diesem Motto deckten die Verbraucherzentrale Hamburg und das Eichamt Fellbach Ende 2016 auf, wie Lebensmittel- und Kosmetikindustrie die Verbraucher täuschen. Bei Kosmetika fielen den Verbraucherschützern vor allem doppelte Böden und dicke Wandungen auf.
„Jede Menge Luft nach oben“: Unter diesem Motto deckten die Verbraucherzentrale Hamburg und das Eichamt Fellbach Ende 2016 auf, wie Lebensmittel- und Kosmetikindustrie die Verbraucher täuschen. Bei Kosmetika fielen den Verbraucherschützern vor allem doppelte Böden und dicke Wandungen auf. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Mit Hilfe von Röntgenbildern zeigen die Verbraucherschützer, das Lebensmittelpackungen durchschnittlich 40 Prozent Luft enthalten. Die Packung „Risotto Porcino di stagione“ von Scotti ist fast zur Hälfte (49 Prozent) mit Luft gefüllt.
Mit Hilfe von Röntgenbildern zeigen die Verbraucherschützer, das Lebensmittelpackungen durchschnittlich 40 Prozent Luft enthalten. Die Packung „Risotto Porcino di stagione“ von Scotti ist fast zur Hälfte (49 Prozent) mit Luft gefüllt. © Verbraucherzentrale Hamburg | Montage: fmg
Zusammen mit dem Risotto landet die Verpackung von „Kellogg’s Frosties“ auf dem Spitzenplatz der geprüften Mogelpackungen.
Zusammen mit dem Risotto landet die Verpackung von „Kellogg’s Frosties“ auf dem Spitzenplatz der geprüften Mogelpackungen. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
49 Prozent Luftanteil stellt das Eichamt bei den Frühstücksflocken fest.
49 Prozent Luftanteil stellt das Eichamt bei den Frühstücksflocken fest. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Nur knapp dahinter landet mit 45 Prozent Luftanteil das „Knusper Früchte-Müsli“ von Netto.
Nur knapp dahinter landet mit 45 Prozent Luftanteil das „Knusper Früchte-Müsli“ von Netto. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Die „Skittles“ fallen doppelt negativ auf.
Die „Skittles“ fallen doppelt negativ auf. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Die Packung enthält nicht nur ziemlich viel Luft, sondern auch unnötig viel Plastik, weil die Bonbons noch einmal zusätzlich in kleinen Tütchen verpackt sind.
Die Packung enthält nicht nur ziemlich viel Luft, sondern auch unnötig viel Plastik, weil die Bonbons noch einmal zusätzlich in kleinen Tütchen verpackt sind. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Der Protein-Drink „Pink Flash“ von Veganz enthält immerhin 29 Prozent Luft.
Der Protein-Drink „Pink Flash“ von Veganz enthält immerhin 29 Prozent Luft. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Die Röntgenaufnahme des Veganz-Protein-Drinks zeigt: Es ist noch Luft nach oben.
Die Röntgenaufnahme des Veganz-Protein-Drinks zeigt: Es ist noch Luft nach oben. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
140 Gramm Salzlakritz sind verhältnismäßig wenig.
140 Gramm Salzlakritz sind verhältnismäßig wenig. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Wie wenig tatsächlich in der Verpackung der „Salz Pastillen“ von Heksehyl enthalten ist, zeigt die Röntgenaufnahme.
Wie wenig tatsächlich in der Verpackung der „Salz Pastillen“ von Heksehyl enthalten ist, zeigt die Röntgenaufnahme. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Auch die Packung Cantuccini „I Morbidi“ von Ghiott könnte besser gefüllt sein.
Auch die Packung Cantuccini „I Morbidi“ von Ghiott könnte besser gefüllt sein. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
39 Prozent Luftanteil stellten die Verbraucherschützer bei der Kontrolle des italienischen Gebäcks fest.
39 Prozent Luftanteil stellten die Verbraucherschützer bei der Kontrolle des italienischen Gebäcks fest. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Auch die Verpackung „Hütten Schmaus“ von Knorr haben das Eichamt Fellbach und die Verbraucherzentrale Hamburg unter die Lupe genommen.
Auch die Verpackung „Hütten Schmaus“ von Knorr haben das Eichamt Fellbach und die Verbraucherzentrale Hamburg unter die Lupe genommen. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
44 Prozent Luftanteil wurde beim „Hütten Schmaus“ bei der Untersuchung festgestellt.
44 Prozent Luftanteil wurde beim „Hütten Schmaus“ bei der Untersuchung festgestellt. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Was bei normalen Mehl-Verpackungen keinerlei Probleme bereitet, scheint beim Falafel-Mehl der Bio-Zentrale nicht möglich.
Was bei normalen Mehl-Verpackungen keinerlei Probleme bereitet, scheint beim Falafel-Mehl der Bio-Zentrale nicht möglich. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Statt die Tüte vollständig zu füllen, gesellt sich zum Falafel-Mehl 42 Prozent Luft.
Statt die Tüte vollständig zu füllen, gesellt sich zum Falafel-Mehl 42 Prozent Luft. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Den Spitzenplatz der Mogelpackungen nimmt bei den Kosmetika die „Augenpflege Nacht“ von Biocura ein.
Den Spitzenplatz der Mogelpackungen nimmt bei den Kosmetika die „Augenpflege Nacht“ von Biocura ein. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Hamburg liegt der Luftanteil bei 68 Prozent.
Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Hamburg liegt der Luftanteil bei 68 Prozent. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
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Wo ist das Problem?

„Nahrungsergänzungsmittel sind für große Teile der Bevölkerung nicht notwendig“, sagt Helmut Heseker, Ernährungswissenschaftler an der Uni Paderborn. Zwar seien Vitamin-D-Tabletten für Babys oder Folsäure für werdende Mütter sinnvoll.

Doch sonst gebe es frisches Obst und Gemüse längst im ganzen Jahr, Fleisch habe dank angereicherten Tierfutters einen höheren Vitamingehalt. Und überhaupt steige das Bewusstsein für gesündere Ernährung. Da sei es wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden, als eine Vitaminmangelkrankheit wie Skorbut zu bekommen.

Worum geht es den Verbraucherzentralen?

Für Nahrungsergänzungsmittel sollten gesetzliche Höchstwerte für die Inhaltsstoffe und eine generelle Zulassungspflicht her, fordert Verbraucherschützer Müller. Das Motto „viel hilft viel“ lassen Experten hier nicht gelten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt zum Beispiel bei Magnesium, nicht mehr als 250 Milligramm pro Tag einzunehmen und das am besten auf zwei Portionen verteilt.

In einer Stichprobe fanden die Verbraucherzentralen gemessen daran aber bei 27 von 42 untersuchten Präparaten Überdosierungen - ab bestimmten Mengen kann das zu Durchfall oder Erbrechen führen. Im Internet lockt zudem auf vielen Packungen auch unzulässige Werbung mit angeblichen Gesundheits-Versprechen, wie die Verbraucherzentralen beanstanden.

Wie reagieren die Hersteller?

Die Lebensmittelwirtschaft warnt vor einer pauschalen Verunglimpfung von Nahrungsergänzungsmitteln. In Geschäften, Apotheken und online gebe es ein vielfältiges Angebot sicherer und hochwertiger Produkte, heißt es beim Branchenverband BLL.

Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe seien aber zu unterstützen, jedoch auf europäischer Ebene und nicht im nationalen Alleingang. Von einer Zulassungspflicht wie für Arznei will BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff aber nichts wissen. Denn die Produkte unterlägen ja hohen Anforderungen an Sicherheit und Kennzeichnung wie alle anderen Lebensmittel auch.

Der Markt mit den Präparaten jedenfalls ist inzwischen ein ordentlicher: Die Verbraucherzentralen schätzen unter Berufung auf Marktforschungsdaten, dass die Menschen in Deutschland rund eine Milliarde Euro im Jahr dafür ausgeben.

Weitere Informationen zu Nahrungsergänzungsmitteln gibt es auf einer Seite des Bundesinstituts für Risikobewertung und auf einer Themenseite der Verbraucherzentrale. (dpa)