Chefärztin Anne Fleck sagt, was wir wann zu uns nehmen sollten und stellt Glaubenssätze auf den Kopf. Etwa, dass Fett dick macht.

Die ersten Körperteile, die sich im Lans Medicum am Stephansplatz ausruhen dürfen, sind die Augen. Denn hier, im Zentrum für Sport- und Regenerationsmedizin, das im Herbst 2012 in der denkmalgeschützten Alten Oberpostdirektion eröffnete, ist in den Arztzimmern alles weiß. Weiße Wände, weiße Möbel, weißer Fußboden, weiße Bildschirme. Als Kontrapunkt dient ein Foto von der Alster in blassen Farben. Die Komposition wirkt wohltuend auf den, der sich gerade noch den schnellsten Weg durch die Verkehrsströme der Innenstadt gebahnt hat.

In diesem hellen Bau heilt auch Anne Fleck. Und es hat den Anschein, als sei alles um sie herum gebaut worden, passt sie doch perfekt hierher und wirkt mit ihrem blondem Haar, der zierlichen Figur, den silbernen Turnschuhen und dem hellem Teint geradezu ätherisch. Ihre ruhige, aber deutliche Stimmlage macht dann rasch klar, dass man sich nicht vom zarten Äußeren täuschen lassen sollte.

„Klar, das Umfeld ist wichtig“, sagt Fleck, „und ich bin sehr froh, dass ich hier nicht an mittelalterlichen Geräten arbeiten muss. Aber letztendlich geht es um die menschliche Kompetenz und das medizinische Fachwissen. Deshalb könnte ich auch in einem Tipi arbeiten“, sagt sie, und ihre blauen Augen verengen sich für einen Augenblick belustigt.

Dr. Anne Fleck ist seit dem vergangenen Sommer Ärztliche Leiterin und Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie des Gesundheitstempels Lans Medicum. Eine Frau, die sich unaufhörlich in die neuesten Studien vertieft, mit Mythen aufräumt und ihr Wissen weitergibt. Die Themen, die ihre Arbeit maßgeblich ausmachen, sind die Ernährungsmedizin und die Präventivmedizin.

Gutes Timing, könnte man sagen. In Zeiten, in denen sich unüberschaubar viele Zeitschriften, Websites, Blogs und Vortragsreihen mit Lebensmittel-Sünden, Superfood-Trends, Ernährungsstilen und Unverträglichkeiten auseinandersetzen, sich die dort verbreiteten Erkenntnisse und Empfehlungen gar zu überholen scheinen – da ist ein Besuch bei Anne Fleck ein Labsal der Klarheit.

Natürlich, auch sie hat Erkenntnisse mitzuteilen. Und warum gerade ihr vertrauen? Zum einen ist da ihr medizinischer Hintergrund und damit einhergehend der Ansatz, den Menschen gesund zu machen oder gesund zu erhalten – es geht nicht in erster Linie um das Abnehmen oder Kurzzeiterfolge. Zum Zweiten ist da Doc Flecks jüngstes Werk: ein erklärendes Kochbuch, in dem sie gemeinsam mit einem 70-köpfigen Ärzte- und Expertenteam, das auf 30 Jahre Erfahrung in der Regenerations- und Ernährungsmedizin im Stammhaus Lanserhof in Lans/Tirol zurückgreifen kann, aktuelle Erkenntnisse auswertet, verständlich macht und es mit Beispielen ermöglicht, sie in unseren Alltag zu integrieren. „Die Gesundküche: neuester Stand“ wurde bereits 30.000-mal verkauft und erklärt sach- und fachkundig sowie mit einem ganzheitlichen Ansatz, was eine genussvolle Optimal-Ernährung in 30 Tagen in unserem Körper bewirkt.

„Schmeißt die Pfanne in die Elbe“ – auf scharfes Braten sollte man verzichten

Chefärztin Anne Fleck kann von beeindruckenden Erfolgen erzählen, besonders gern hört man zu, weil sie sich prägnant ausdrückt. Besonders bei Männern kommt dies gut an: „Besser abends ein gut gekauter Burger als schlecht gekaute Berge von Ananas.“ Zum Thema Zubereitung von Speisen sagt sie: „Schmeißt die Pfanne in die Elbe!“ Und wenn das Braten dann doch sein muss – weil auch der individuelle Genuss nicht zu kurz kommen darf –, dann solle man bitte dabei nur Fette verwenden, die hoch erhitzbar sind, zum Beispiel Kokosfett. „Olivenöl gehört entgegen landläufiger Meinung nicht in die über 180 Grad heiße Bratpfanne! Durch zu hohes Erhitzen werden viele gesundheitsfördernde Wirkungen der Öle zerstört und Entzündungen potenziell gefördert“, warnt die Expertin.

Ebenso propagiert sie den „Ölwechsel“ in der Küche und fordert geradezu auf: „Esst mehr Fett!“ Denn entgegen weit verbreiteter Ansichten mache Fett nicht dick, sondern schlank und schlau – wenn es das richtige ist (dazu siehe Text rechts oben). Fett und Öle sind nicht nur ihr berufliches Steckenpferd, es ist auch „ihr“ Thema, wenn sie als „Doc Fleck“ im NDR Fernsehen in der zweiten Staffel der „Ernährungs-Docs“ dabei ist.

Mit 19 sah Anne Fleck den Hollywoodfilm „Lorenzos Öl“, in dem Susan Sarandon eine Hauptrolle spielt. Darin geht es um die wahre Geschichte eines Jungen, dessen Krankheitsverlauf durch die Gabe von Ölmischungen ekla­tant positiv beeinflusst wird. Es war ein Schlüsselerlebnis für die junge Frau Fleck, das sie nicht mehr losließ. Dazu erschien ihr die Wirkung zu logisch: „Fette finden sich in jeder Zellwand des Körpers, mit Fetten können wir also die kleinste Einheit unseres Körpers erreichen“, sagt sie.

Bereits in ihrer Uniklinik-Zeit war sie verantwortlich für die Stoffwechsel- und Rheumatologische Ambulanz und konnte dort konkret sehen, wie man mit wenigen Änderungen der Ernährungsgewohnheiten viel erreichen kann. „Beispiele dafür sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die zum Beispiel durch das ,Doc-Fleck-Frühstück‘ (Rezept siehe unten) mit anti-entzündlich wirkenden Ölen eine messbare Reduktion der Krankheitsaktivität und der subjektiv empfundenen Schmerzen erreichen“, sagt sie. Dies sei eine deutliche Unterstützung zu Pillen und Medikamenten und ein großer Schritt für die Betroffenen. „Ich sehe mich als Hilfe, dass der Patient sein bester Arzt wird.“

Aus Flecks Sätzen spricht die tiefe Überzeugung, mit ihrem Weg Leidenden helfen zu können – oder Gesunde gesund zu erhalten. Ihren Erfolg, das große Interesse an ihrem Rat erklärt sie sich so: „Ich mag Menschen. Und ich habe einen Rezeptor für Anliegen“, sagt sie. „Ich kann mich gut in Menschen hineinfühlen, die vor mir sitzen.“ Ungeteilte Aufmerksamkeit, Fokussierung auf das Wesentliche, absolutes Interesse – das schätzen die Patienten an der gebürtigen Saarländerin. Sie betreut auch Unternehmen und Botschaften aus dem In- und Ausland.

Anne Fleck hat nach dem Abitur in Leipzig Medizin studiert und danach dort unter anderem am Universitätsklinikum gearbeitete, ist Internistin und erkannte früh, dass Essen heilen kann. Die richtige Ernährung kann sich positiv auf Erkrankungen wie Rheuma, Bluthochdruck, Darmprobleme, Migräne oder Neurodermitis auswirken – nur wissen das die wenigsten. „Wenn die Patienten zu mir kommen, dann nehmen wir gemeinsam ihr Essverhalten in Augenschein“, sagt Fleck, „nicht nur was gegessen wird, sondern auch wie. In welcher Stimmung isst man? Im Stress? Aus Langeweile? Dazu werten wir Ernährungsprotokolle aus. So kommen wir den Gewohnheiten auf die Spur.“

Pauschalurteile gibt es nicht. Was sich aber als „besser“ herauskristallisiert hat, ist das, was auch unter dem Begriff „clean eating“ bekannt ist: frische Lebensmittel ohne Zusatzstoffe zu konsumieren. Sprich: absoluter Verzicht auf Fertigprodukte, denen in den meisten Fällen Emulgatoren, Geschmacksverstärker oder Phosphate zugesetzt sind. Man sollte selber kochen und die Produkte schonend zubereiten – dünsten, schmoren und garen statt scharf braten. Dabei kommt es aber nicht nur auf das Was und Wie an, sondern auch auf das Wann. Denn wie immer in der Medizin könne auch hier nicht isoliert behandelt werden, sondern man müsse die Zusammenhänge erkennen. So spielt der Biorhythmus eine maßgebliche Rolle dabei, wie der Körper die Bestandteile der Nahrung aufnehmen und – vor allem – verdauen kann.

Rohkost am Abend bedeutet für den Darm Schwerstarbeit in der Nacht

Ein Beispiel dafür wird viele Frauen aufrütteln, die abends auf Kohlenhydrate verzichten und dafür einen Salat essen oder Rohkost knabbern. „Früher dachte man, man sollte morgens Kohlenhydrate zu sich nehmen und abends nicht mehr“, sagt Anne Fleck, „heute weiß man aber, dass das überholt ist und man versuchen sollte, den ganzen Tag Kohlenhydrate zu sparen.“ Der Rohkostsalat am Abend jedoch bedeutet für den Darm Schwerstarbeit und volle Leistung – ein Zustand, der definitiv nicht für den wichtigen Schlaf sorgt, der ebenfalls eine bedeutende Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden spielt. Und die Ruhepause des Darms von zwölf Stunden, die zwischen Abendessen und Frühstück liegen sollte, kann dann auch nicht eingehalten werden. „In dieser Zeit werden die unverzichtbaren Wachstums- und Reparaturhormone gebildet“, sagt sie. „Deshalb abends lieber eine Gemüsesuppe mit Eiweißeinlage“, so Fleck. Und Chips beim TV-Spielfilm? Ernährungstechnisch weiterhin ein klares Nein.

Hält sie sich denn selbst an die Essens-Tipps, die sie täglich gibt? „Auch wenn es oft heißt ,Der Schuster hat selbst die schlechtesten Schuhe’, esse ich sehr bodenständig, achte auf die Zutaten, esse wenig Fleisch und schaue auf die Herkunft der Lebensmittel. Und die müssen außerdem alle immer gut gekaut werden“, sagt sie. „Als Saarländerin bin ich mit der Freude am Essen aufgewachsen und kann mir deshalb auch mal eine Buttercremetorte gestatten.“

Doc Flecks liebste Sünde ist eine heiße Schokolade

Heute wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten, dem preisgekrönten Kameramann Lutz Reitemaier, mitten in der Hamburger Innenstadt, geht deshalb gern in St. Georg auf den Markt oder kauft in Reformhäusern und Bioläden ein. Passenderweise kocht sie leidenschaftlich gern und experimentiert zur Freude aller Freunde mit neuen Zutaten am Herd. Bei allen Essens-Regeln ist ihr wichtig: „Ganz rigide Verbote und Dogmen bringen keine langfristig funktionierende genussvolle und gesunde Lebens- und Ernährungsweise. Genuss und Gesundheit schließen sich ja nicht aus. Meine liebste Sünde ist eine heiße Schokolade.“

Vielleicht ist es diese bodenständige Leichtigkeit, mit der Doc Fleck erklärt und lehrt und die ihren Erfolg in der Ernährungsmedizin erklären kann: Es geht nicht um die radikale Umstellung des Lebens, sondern darum, mit kleinen Änderungen Positives zu erreichen. Nicht von ungefähr stehen die Patienten im Lans Medicum Schlange, Termine bei Anne Fleck werden auch aus dem Ausland angefragt.

Und wenn die Sprechstunde zu Ende ist, die neuesten Ölmischungen bestellt sind, der Bio-Wildlachs gedünstet ist, alle Studien bearbeitet wurden – dann malt sie. „Ich bin sehr kreativ-musisch veranlagt und habe als Kind immer gemalt, wollte sogar Malerin werden“, sagt sie. „In Berlin habe ich mir meinen Lebenstraum einer großen eigenen Ausstellung einmal erfüllt, heute male ich, wann immer es meine Zeit zulässt.“

Und wer weiß, vielleicht ziert ja irgendwann ein farbgewaltiges Fleck-Gemälde die weißen Wände des Lans Medicum.