Hamburg/Goslar. Ältere Verkehrsteilnehmer sollen mit geschulten Beobachtern ihre Fahrtüchtigkeit überprüfen. Das Ergebnis soll geheim bleiben.

Senioren am Steuer sollen mittelfristig gesetzlich verpflichtet werden, ihre Fahreignung durch Testfahrten mit geschulten Beobachtern nachzuweisen. Nur wenige Tage vor Beginn des Verkehrsgerichtstages in Goslar hat dies auf der Basis eigener Studien die Unfallforschung der Versicherer (UDV) gefordert. Der Verkehrsgerichtstag hat sich bislang nach häufig strittigen Diskussionen zu einer solchen Forderung nicht durchringen können.

UDV-Chef Siegfried Brockmann dagegen sieht Handlungsbedarf. So steige die Zahl der Senioren am Steuer und damit die Unfallgefahr: „Wenn Senioren über 75 Jahren in Unfälle verwickelt sind, haben sie diese zu 75 Prozent selbst verursacht.“ Diese Quote liege sogar noch über der Hochrisikogruppe der 18- bis 24-Jährigen. Das Problem: Viele der Senioren am Steuer seien unbelehrbar, hielten sich für gute Fahrer und ließen sich nur schwer auf Fehler ansprechen.

Genau hier setzt die UDV mit dem Vorschlag von Testfahrten an. Es gehe dabei nicht unbedingt darum, die Senioren von der Abgabe des Führerscheins zu überzeugen. Es sei durchaus möglich, Senioren durch Testfahrten zu vorsichtigerer Fahrweise zu bringen oder, wie bereits oft empfohlen, nur noch in bekannten Gebieten zu fahren und das Auto nicht in der Dunkelheit zu benutzen.

Den Senioren soll im Gegenzug zu den Testfahrten zugesagt werden, dass nicht die Führerscheinbehörden, sondern nur die getesteten Personen selbst eine detaillierte Rückmeldung bekommen: „Ansonsten bleibt das Ergebnis geheim.“

Die Unfallforscher der Versicherer setzen auch deshalb auf Testfahrten, weil die Studie gezeigt hat, dass sich die Fahreignung von Senioren weder über das Alter noch die individuelle Leistungsfähigkeit prognostizieren lässt. Auch Fahrten im Simulator nützen nicht, weil die Senioren hier mehr Fehler machen als im realen Straßenverkehr. Klar ist für die Unfallforscher: Der Leistungsabfall ist schleichend, wobei das Sehen und die Wahrnehmung eher linear abnehmen, bei den geistigen Fähigkeiten dagegen erfolgt die Abnahme sprunghaft. Vor allem aber: „Die Bandbreite der individuellen Leistungsfähigkeit ist sehr groß.“ So hat im Juni vergangenen Jahres ein 84 Jahre alter Rentner in Hamburg-Blankenese beim Einbiegen die Kurve nicht bekommen, ist frontal in ein Auto gefahren, in dem drei Kinder leicht und die 30 Jahre alte Mutter schwer verletzt wurden. Und im Oktober 2015 in Othmarschen legte ein vermutlich herzkranker 76 Jahre alter Autofahrer eine regelrechte Amokfahrt hin, als er von der Fahrbahn abkam, in eine Bushaltestelle krachte und erst im Vorgarten einer Villa zum Stehen kam.

In solchen Fällen mit vermutlich schweren Erkrankungen hat der Verkehrsgerichtstag 2012 einen Schwenk vollzogen, forderte für Ärzte das Recht, uneinsichtige Patienten der Polizei zu melden.