Ob Spionage oder Kinderpornografie – Kriminelle hinterlassen Anhaltspunkte. IT-Forensiker können sie mit detektivischem Gespür überführen

Phishing, Scamming oder Hacking: Diese Wörter haben manche Menschen noch nie gehört. Dabei sind einige vielleicht bereits Opfer eines Phishing-Angriffs geworden – nämlich dann, wenn Betrüger auf einer gefälschten Webseite Daten wie Passwörter geklaut haben. Manch einer wurde von Scammern im Netz dazu überredet, Geld für eine Wohnung zu überweisen, die es nicht gibt. Oder ein Hacker hat sich Zugriff zum PC verschafft. Bei Cyberkriminalität kommt der IT-Forensiker zum Einsatz – ein digitaler Spurensucher.

Marion Liegl ist so eine IT-Forensikerin. Die 36-Jährige führt ihre Firma in Gera. Liegl arbeitet vorwiegend für Firmen, die Opfer von Cyberkriminalität geworden sind. Wird das Netzwerk eines Unternehmens angegriffen, ist sie zur Stelle. Liegl beginnt dann, Daten zu sichern. Sie wertet die Informationen von Festplatten und Logdateien aus, um den Täter zu finden.

Der Beruf des IT-Forensikers wird immer wichtiger. Computer, Smartphones, Tablets, Spielekonsolen – jeder hinterlässt täglich Spuren im Netz und macht sich angreifbar. Hacker haben oft leichtes Spiel. Deshalb ist der digitale Spurensucher gefragt wie nie. IT-Forensiker arbeiten zum Beispiel in Ermittlungsbehörden wie dem Bundeskriminalamt oder dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Deutschlands IT-Sicherheitsbehörde, außerdem in Ministerien oder in IT-Sicherheitsabteilungen von großen Unternehmen.

Marion Liegl hat an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen den berufsbegleitenden Master Digitale Forensik studiert. Dieser Fernstudiengang war nach Angaben der Hochschule der erste zum Thema IT- bzw. Computerforensik im deutschsprachigen Raum und wurde im vergangenen Jahr eingerichtet. Er läuft online, sodass Interessierte aus ganz Deutschland angesprochen werden. Über einen virtuellen Campus mit Lernplattform und Lernlabor wird gearbeitet, Präsenzphasen vor Ort dauern etwa zwei Tage. Wer einen Bachelor-Abschluss im Fach Informatik mitbringt, braucht sechs Semester für das Studium. „Bewerber, die im Erststudium nicht Informatik studiert haben, holen die Grundlagen in einem zusätzlichen Einführungssemester nach“, erklärt Studiengangmanagerin Lydia Nietzold. Voraussetzung ist außerdem mindestens ein Jahr Berufserfahrung in einem einschlägigen Fachgebiet wie Informatik oder polizeiliche Strafverfolgung.

Seit Kurzem bildet auch das Fernstudiumzentrum Wings der Hochschule Wismar Cybercrime-Experten aus. Am Standort Hamburg bietet es seit dem Sommersemester dieses Jahres den Bachelorstudiengang Forensic Engineering an, den die Hochschule mit dem Hamburger Sicherheitsunternehmen Pan Amp konzipiert hat. Die Studenten tauchen ein in Informatik, Computersysteme, Kriminologie und Kriminalistik, Datenstrukturen, Programmierung, Kryptographie, aber auch in Polizei- und Ordnungsrecht. Und in Jura. Denn die Ergebnisse der digitalen Spurenjagd müssen auch vor Gericht Bestand haben. Nach Abschluss sind die IT-Forensiker in der Lage, Datenspuren nachzugehen und zu analysieren, Täter zu ermitteln, aber auch Daten künftig zu schützen. Auch in diesem Studiengang kann berufsbegleitend gebüffelt werden, an drei Wochenenden pro Semester sind die Studenten vor Ort. Voraussetzung für die Zulassung sind das Abi und Berufspraxis in öffentlicher Verwaltung oder in einem IT-Unternehmen.

Lust an der Technik gehört zu dem Berufsbild

Doch ein Studium ist nicht der einzige Weg in die IT-Forensik. „Weiterbildungskurse neben dem Job eignen sich sehr gut als Spezialisierung“, erklärt York Yannikos vom Center for Advanced Security Research Darmstadt (CASED) an der Technischen Universität Darmstadt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half haben Personaler Probleme, Mitarbeiter im Bereich IT-Sicherheit zu finden. Mehr als jeder vierte Personaler (28 Prozent) klagt darüber.

Laut Bundeskriminalamt (BKA) nehmen Internetstraftaten stark zu. Auch im Allianz Risk Barometer 2015 kommen die Experten nach Umfragen in Unternehmen weltweit zu dem Schluss, dass die Angriffe immer häufiger und professioneller werden. Cyberrisiken wie etwa Datenmissbrauch, Internetkriminalität oder Spionage lagen 2015 erstmals unter den Top 5 der weltweit größten Sicherheitsrisiken für Wirtschaftsunternehmen. Im Jahr 2013 lagen sie noch auf Platz 15. Die IT-Forensiker also sind gefragt. Auch bei Behörden, etwa dem BKA. Denn auch bei Mord, Überfall oder Entführung hinterlassen Täter oft digitale Spuren. „Wir suchen polizeiaffine Informatiker und IT-affine Polizisten“, sagt Andreas Blum vom BKA. Kriminalbeamte und Externe mit einem entsprechenden Studienabschluss können sich beim BKA im Bereich IT-Forensik bewerben.

Neben einer soliden Informatikausbildung als Grundlage bringen IT-Forensiker vor allem Lust an Technik mit. Außerdem sollten sie sich in andere PC-Nutzer hineinversetzen können. Denn IT-Forensiker müssen nachvollziehen, wie andere Menschen mit dem Computer umgehen. „Wer am liebsten allein zu Hause in seinem Zimmer sitzt und programmiert, ist nicht der Richtige“, betont Yannikos. Marion Liegl findet, dass man in ihrem Metier zusätzlich viel Einfühlungsvermögen benötigt. „Wenn ich in ein Unternehmen komme, ist das oft der erste Vorfall. Um die Situation zu beruhigen, brauche ich Fingerspitzengefühl.“

Bachelor Forensic Engineering, Wings Hochschule Wismar: Bewerbungsfrist für Wintersemester 2015/16: 31. August. Infos: www.wings.hs-wismar.deMaster Digitale Forensik, Hochschule Albstadt-Sigmaringen, Bewerbung für Wintersemester 2015/16 (Start: 1. August 2015) bis 15. Juni. Infos (auch zu den Kosten): www.hs-albsig.de