Eine neue EU-Verordnung sieht vor, dass von Mitte August an vornehmlich der Wohnsitz und nicht die Staatsbürgerschaft maßgeblich wird bei der Vermögensaufteilung unter den Erben. Juristen raten zu zeitiger Rücksprache mit Notaren und Steuerexperten.

Es ist eine Änderung, mit der sich viele Bundesbürger am besten sofort befassen sollten: ab dem 17. August gilt die EU-Erbrechtsverordnung – mit weitreichenden Folgen für jeden, der seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr hierzulande, sondern dauerhaft ins europäische Ausland verlegt hat. Betroffen sind also möglicherweise In Zeiten der Globalisierung bedeutet das für eine Vielzahl von Bürgern, dass für sie ab Mitte August 2015 ein anderes Erbrecht gilt. Betroffen sind in erster Linie Personen, die dauerhaft in einem Staat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzenRentner, die ihren Lebensabend überwiegend im Ausland verbringen sowie junge Menschen, die aus beruflichen Gründen zeitweise im Ausland leben.

Sie alle sollten wissen: Ab dem 17. August gilt nicht mehr die einfache Regel, nach der jeder Deutsche nach deutschem Recht, jeder Franzose nach französischem Recht beerbt wird, sondern Erbschaftsangelegenheiten werden ab dann automatisch nach dem Recht des Landes geregelt, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte.

„Maßgeblich ist also nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers für das anzuwendende Erbrecht, sondern sein aktueller Wohnsitz“, unterstreicht der Hamburger Notar Michael von Hinden. Die neue Verordnung sieht aber durchaus die Möglichkeit der Rechtswahl vor. Wer also möchte, dass weiterhin deutsches Erbrecht zum Zuge kommen soll, sollte dies zeitig über ein Testament verfügen“, bekräftigt das Vorstandsmitglied der Hamburgischen Notarkammer. Deutsches Recht können allerdings nur deutsche Staatsbürger wählen. Die Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts sollte unbedingt zur Beschäftigung mit der eigenen Nachfolgeplanung und gegebenenfalls zu deren Anpassung an die künftige Rechtslage genutzt werden“, rät daher das Vorstandsmitglied der Hamburgischen Notarkammer.

Thomas Fitzner, Sprecher von Fundamente Mallorca – eine Interessensgemeinschaft, die auch zu Fragen des Immobilienbesitzes in Spanien informiert –, schätzt, dass allein auf den Balearen gut 28.000 Bundesbürger von der neuen Verordnung betroffen sind. „Offiziell haben 27.310 Bundesbürger im vergangenen Jahr ihren ersten Wohnsitz auf den Balearen angemeldet. Wir gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagt Fitzner.

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Auch er bestätigt die Notwendigkeit, sich zeitig mit den weitreichenden und möglicherweise unerwünschten Konsequenzen durch die neue Erbrechtsverordnung zu beschäftigen. „Das Erbrecht ist in Spanien nicht einheitlich. Sogar auf den Inseln des Balearen-Archipels gelten unterschiedliche Regelungen“, sagt Fitzner.

Insbesondere für Eheleute in Deutschland ist wichtig: Es können nicht zwei oder mehr Personen gemeinsam in einem Dokument ein Testament errichten – im Unterschied zu Deutschland, wo über das Berliner Testament geregelt ist, das dem überlebenden Ehepartner der Nachlass des verstorbenen Partners alleine zufällt.

„Das ist ein erheblicher Unterschied zu Deutschland. In Spanien müssen beide Partner jeweils gesondert ein Testament errichten – und jeder von ihnen kann dieses nach Belieben abändern“, unterstreicht Fitzner. Wer also auf Mallorca lebt und sein Vermögen nach Berliner Testament vererben will, sollte daher in seinem Testament deutsches Recht verfügen. Ausländische Rechtsordnungen können sich auch hinsichtlich gesetzlicher Erbquoten oder der Pflichtteilsrechte erheblich von deutschem Recht unterscheiden. „Aber auch ausländische Mitbürger, die dauerhaft in Deutschland leben, sollten wissen, dass im Erbfall künftig regelmäßig deutsches Recht zur Anwendung kommen wird“, sagt von Hinden. Wer dies nicht wolle, müsse ebenfalls eine Rechtswahl zugunsten des jeweiligen Heimatrechts treffen.

Eine notarielle Beratung empfiehlt sich auch bei einem bereits bestehenden Testament, um zu prüfen, ob es geändert werden sollte. „Bei Auslandsvermögen kann außerdem eine Beratung durch einen mit internationalen Bezügen vertrauten Steuerberater sinnvoll sein, um eine unnötige Doppelbesteuerung im Erbfall zu vermeiden“, rät von Hinden. Trotz des gestiegenen Beratungsbedarfs überwiegen nach seiner Einschätzung die Vorteile der neuen Verordnung. „Mit ihr gelten erstmals auf EU-Ebene einheitliche Regelungen darüber, welches Erbrecht auf einen internationalen Fall anzuwenden ist und wie Erben ihre Rechte nachzuweisen haben.“

Unter abendblatt.de/erbrecht können Abendblattleser exklusiv zwei Dosssiers von Fundamente Mallorca zum spanischen und deutschen Erbrecht einsehen.