Für Patienten ist es eine große Motivation, aus der Klinik wieder in ihre vertraute Umgebung entlassen zu werden

Wenn Patienten beispielsweise nach einem Sturz und Oberschenkelhalsbruch in der Chirurgie behandelt werden müssen, steht bereits nach wenigen Tagen die Entlassung an, und es wird dann für die alten Menschen eine Nachbehandlung in einer geriatrischen Abteilung notwendig. Dr. Ann-Kathrin Meyer ist Chefärztin der Abteilung Ge-riatrie (Altersheilkunde) in der Asklepios Klinik Wandsbek. Die medizinische Behandlung und Frührehabilitation ist auf die Bedürfnisse von alten Menschen ausgerichtet, die unter anderem aufgrund von Demenz, Stürzen und Brüchen, Schlaganfällen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingewiesen werden.

Hamburger Abendblatt:

Frau Dr. Meyer, wie wichtig ist es Ihren Patienten, wieder nach Hause zu kommen?

Ann-Kathrin Meyer:

Dieses Ziel ist sehr wichtig. Es ist ziemlich anstrengend und erfordert Disziplin, zum Beispiel nach einem Schlaganfall bei den Übungen unserer Physiotherapeuten und Logopäden mitzuarbeiten. Da ist es eine große Motivation, wieder in die vertraute Umgebung entlassen zu werden.

Bis zu welchem Schweregrad können Senioren zu Hause gepflegt werden?

Meyer:

Es ist überhaupt kein Problem für die ambulanten Dienste, Patienten mit einem hohen Pflegebedarf, also mit Pflegestufe 3, zu versorgen. Hilfreich ist, wenn Familienangehörige und Bekannte vor Ort sind und zusätzlich helfen.

Wo liegen die Grenzen der Pflege in der vertrauten Umgebung?

Meyer:

Wenn Angehörige die Pflege nicht übernehmen können oder wollen, ist ein Umzug in ein Pflegeheim sinnvoll. Bei einer Demenz stoßen Ehepartner und Kinder immer wieder an ihre Grenzen, besonders wenn der Betroffene Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Einsamkeit ist auch so eine Grenze, da gibt es im Altenheim einfach mehr Geselligkeit. Alleinlebende Senioren fühlen sich oft sehr einsam, denn der Pflegedienst kommt häufig nur morgens und abends. Ihnen fehlt die Ansprache.

Schaffen die Familien die Pflege allein?

Meyer:

Vielen Ehepaaren täte es gut, wenn sie Hilfe von außen annehmen würden. Vor allem die Ehefrauen möchten ihre Männer selbst pflegen. Hinzu kommen Forderungen von den Pflegebedürftigen selbst, die lieber eine vertraute Person um sich herum haben. Mitunter sind Angehörige mit der Pflege jedoch schlicht überfordert. Denken wir nur daran, dass ein Patient eine Wunde hat. Eine 87-jährige Ehefrau ist keine Wundtherapeutin. Außerdem sehen pflegende Angehörige oft nicht, wie sehr sie selbst unter der Situation leiden. Tagespflege, Kurzzeitpflege oder die täglichen Einsätze eines ambulanten Dienstes sollten sinnvoll mit der liebevollen Betreuung durch die Familie kombiniert werden.

Die Angst der Kinder, in 20 Jahren selbst einen Schlaganfall zu erleiden oder tüdelig zu werden, ist ja durchaus vorhanden. Gibt es ein erbliches Risiko für diese Alterskrankheiten? Was können die 50- bis 70-Jährigen zur Gesundheitsvorsorge tun?

Meyer:

Es besteht nur ein geringes erbliches Risiko dafür, dass Töchter und Söhne ebenfalls an diesen Alterskrankheiten der Eltern leiden werden. Die Risikofaktoren liegen bei den Vorerkrankungen, die rechtzeitig behandelt werden sollten. Dazu zählen Diabetes, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte und Herzrhythmusstörungen.

Lassen sich diese tickenden Zeitbomben nur durch eine gute Altersmedizin behandeln?

Meyer:

Nein. Ältere Menschen können viel selbst tun, um die Risikofaktoren positiv zu beeinflussen. Dazu zählen eine gesunde Ernährung, das Nicht-Rauchen und Bewegung. Ob Gymnastikgruppe im Altenheim oder der Besuch im Fitnessstudio – die ältere Genera-tion ist da auf einem guten Weg.