Der stete Wandel unserer Lebenswelt: Experten sagen, wie man damit umgeht, welche Schritte man trainieren kann und wo es Weiterbildungen gibt

Kennen Sie das? Alles läuft gerade wunderbar – im Job, privat und auch gesundheitlich. Man möchte wie in Goethes „Faust“ zum Augenblick sagen: „Verweile doch! Du bist so schön.“ Gewiss ist jedoch: Im Leben ist nichts so sicher wie der Wandel.

Wie gehen wir damit um?

Bei einer Umfrage der Universität München unter 20.000 Menschen im deutschsprachigen Raum antworteten auf die Frage „Wenn Sie erfahren, dass eine Veränderung auf Sie zukommt, und Sie wissen nicht, welche, bekommen Sie ein positives, neutrales oder negatives Gefühl?“ 72 Prozent: „Natürlich ein negatives Gefühl.“ Vielen Menschen machen Veränderungen Angst.

Wo begegnen uns Veränderungen?

Das beginnt im Alltag bereits im Supermarkt, der sein Angebot umgestellt hat. Man findet sich zunächst nicht zurecht. Oder auf der Fahrt zum Arbeitsplatz fällt der Zug aus. Größere Veränderungen stehen an, wenn Paare Eltern werden oder später die Kinder ausziehen, Umzüge oder Kündigungen am Arbeitsplatz erfolgen, wenn der Partner sich verliebt hat und sich trennen möchte oder ein Elternteil stirbt. Leben ist ein ständiger Veränderungsprozess.

Weshalb verbinden viele Menschen mit Veränderung etwas Negatives?

Eine Veränderung birgt immer ein gewisses Risiko, denn das Neue ist in seiner Auswirkung nie restlos kalkulierbar. Beim Bekannten und Gewohnten weiß man, was man hat, es verspricht Sicherheit und vermittelt das Gefühl, man habe die Dinge unter Kontrolle. Deshalb harren viele Menschen in ungeliebten Jobs oder lauwarmen oder sogar schmerzlichen Partnerschaften aus. Wer weiß, ob das Neue besser wird ...

„In Unternehmen sind Veränderungsprozesse oft mit Ablehnung verbunden, weil sie die gewohnten Abläufe stören. Gewohnte Routinen werden verlassen, und der neue Status muss als ungewohnter Handlungsablauf neu eingeübt werden“, sagt Unternehmensberater Klaus Elle. „Das hat mit Anstrengung zu tun. Veränderungen führen in der ersten Phase logischerweise auch zu Fehlern, doch unser gesamtes Lernverhalten ist auf Fehlerminimierung konditioniert. Fehler machen somit Angst und beschädigen zudem unseren Anspruch auf Perfektion.“

Gibt es hilfreiche Strategien?

Zu wissen, was man kann und was man will, ist der ideale Kompass zur Selbstverwirklichung, sagen die Berater Marion und Klaus Elle. „Außerdem ist der Zugang zur eigenen Kreativität hilfreich, weil sich damit neue Möglichkeiten entdecken lassen.“ Die Berater setzen in ihren Creative Coachings auf das Freisetzen innerer Kräfte durch Kreativität. So animieren sie die Teilnehmer von Workshops oder die Mitarbeiter eines Teams, ihre Probleme und Fragen visuell darzustellen, weil man auf diesem Weg schneller und deutlicher den Kern der Problematik erkennt. „Wir erschließen durch visuelle Metaphern blockierte innere Resonanzfelder, bringen Menschen so mit ihrer Intuition in Verbindung und damit zu einem Perspektivwechsel“, sagt Personalentwicklerin Marion Elle. Statt ausschließlich das vertraute logische Denken zu benutzen, setzt das Paar Kreativität als ein erweitertes Erkenntniswerkzeug ein. Das Ergebnis kann bedeuten, anzuecken und gegen Normen und Werte zu verstoßen. „Doch die positive Erfahrung, im Fluss zu sein, überraschende Sichtweisen zu entdecken, ist viel wichtiger, als an Gewohnheiten zu hängen“, sagt Klaus Elle. „Zu oft sagen Menschen, was ihnen Freude machen würde, blockieren aber im gleichen Moment, weil sie sich bewusst werden, dass sie mit diesem Verhalten gegen Regeln der Anpassung verstoßen. Damit werden Ängste ausgelöst.“

Die Unternehmensberaterin Maren Lehky gibt die folgende Anregung: „Denken Sie einmal zurück an Veränderungen, die Sie hinter sich haben. Was hat Ihnen geholfen, wieder in die Spur zu kommen? Was ist Ihr persönliches Geheimrezept?“ Das kann sein: mit Freunden sprechen, Tagebuch schreiben, die Ängste auf Papier bannen, Sport treiben, mehr arbeiten, sich ablenken. Hilfreich kann es sein, die Veränderung in Minischritte zu unterteilen und damit kleine leistbare Häppchen zu schaffen. Oder einen Therapeuten oder Coach aufzusuchen. Lehky: „Sie haben Ihr Rezept, eine dieser Zutaten wird Ihnen auch jetzt helfen. Die Kraft liegt in uns, wir zweifeln nur oft daran.“

Zudem sei es hilfreich zu wissen, dass nahezu alle Veränderungen einem naturgesetzmäßigen Verlauf folgen und die Abfolge der Emotionen immer gleich ist (s. unten sieben Phasen): vom Schock bei der Nachricht über Abwehr, Wut und Unglaube, dass das Neue nicht sein kann, bis zur Realisierung und der Erkenntnis, dass es nicht zu ändern ist, gefolgt von Frustration. „Und dann endlich geht die Sonne wieder auf, es wird heller in uns, die Zuversicht und Neugier auf das Neue steigt. Am Ende werden wir die Veränderung integriert haben“, sagt Lehky. Tröstlich zu wissen, dass es immer so läuft. „Veränderung kann man trainieren. Irgendwann macht sie uns weniger aus.“

Welche Eigenschaften sind hilfreich?

Eine der Schlüsselqualifikationen ist die Veränderungskompetenz. Dazu zählt die Bereitschaft, sich selbst zu entwickeln und zu verändern, die Initiative zur Veränderung zu ergreifen sowie mit Veränderungen von außen umzugehen. Diese Kompetenz zur Veränderung hat jeder Mensch mehr oder weniger in sich, sagt die Lebensberaterin Irene Galler. Weitere hilfreiche Eigenschaften sind außer der Fähigkeit zur Selbstreflexion Mut, Selbstvertrauen, Optimismus, Neugier, Flexibilität, visionäres Denken und Pioniergeist. Sie beeinflussen die Bereitschaft, unser Leben eigenverantwortlich zu gestalten. So kann Wandel statt in der Opferrolle als Chance erlebt werden.

Gibt es Weiterbildungen?

In ihrem Seminar „Die Kunst, sich zu verändern“ zeigen die Berater Marion und Klaus Elle am 12. und 13. September nicht nur, wie man sich auf Veränderungen vorbereiten, sondern auch, wie man diese positiv erleben kann. Es geht außerdem um das Erkennen der eigenen Wahrnehmungsmuster und das Auflösen von Blockaden.

Kenntnisse im Veränderungsmanagement gehören in vielen Stellenausschreibungen zur erwarteten Kompetenz. Unternehmen benennen damit einen dringenden Bedarf. Denn Wandel muss auch initiiert, begleitet und umgesetzt werden. Am 3. November beginnt erstmals der neue IHK-Zertifikatslehrgang Veränderungsmanagement. Verantwortliche Manager haben in Veränderungsprojekten mit vielen Problemen zu kämpfen: Druck von Geschäftsleitung und Mitarbeitern, massiver Widerstand, Erschöpfung und fehlende Kompetenz. „Es geht im Lehrgang auch darum, die Fähigkeit im Umgang mit den wachsenden Belastungen in Veränderungsprojekten zu stärken“, sagt Meike Grimm, eine der beiden Dozentinnen. Und Dagmar Strobel ergänzt: „Die Teilnehmer lernen anhand von vielen praxisorientierten Fallbeispielen, wie Menschen für den Wandel im Unternehmen gewonnen werden können und wie sie mit den eigenen Emotionen und denen ihrer Mitarbeiter beim Thema Veränderung umgehen.“

Weitere Informationen unter: www.hkbis.de ; www.elle-elle.de ; www.maren-lehky.de