Viele Banken bieten ihren Kunden Investitionen in nachhaltige Unternehmen und Branchen aber gar nicht an. Dass man Geld auch nach sozialen und ethischen Kriterien anlegen kann, zeigt Norwegen.

Düsseldorf. Das Grillfleisch kommt vom Bio-Metzger, die neue Bluse ist aus ökologischer Baumwolle, und das Auto verbraucht nur noch vier Liter Sprit – umweltbewusstes Verhalten ist bei vielen Verbrauchern inzwischen selbstverständlich. „Nachhaltiger Konsum ist nicht mehr nur eine Modeerscheinung“, sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. „Das Thema begegnet einem inzwischen in vielen Lebensbereichen.“

Auch beim eigenen Geld achten Anleger immer stärker auf nachhaltige Kriterien. „Viele Privatanleger möchten ihr Geld nicht nur gewinnbringend anlegen, sondern auch ethisch, sozial oder ökologisch“, hat Oelmann beobachtet. Ein Markt mit beachtlichem Wachstumspotenzial, wie das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) in Berlin errechnet hat. So stieg das Volumen solcher Geldanlagen in Deutschland 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Milliarden auf insgesamt 79,9 Milliarden Euro – ein Plus von 9 Prozent.

Besonders stark konnte der Studie des FNG zufolge der Bereich der nachhaltigen Investmentfonds zulegen, der im vergangenen Jahr um 25 Prozent wuchs. Nachhaltige Spezialfonds, die von institutionellen Anlegern aufgelegt wurden, erzielten ein Plus von 15 Prozent. Das Volumen der Kundeneinlagen der Spezialbanken mit Nachhaltigkeitsfokus stieg um 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert. Dennoch: Insgesamt haben nachhaltige Geldanlagen bisher nur einen Anteil von 1,5 Prozent am Gesamtmarkt.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Ein wichtiger Grund: „Es fehlen einheitliche Standards in Bezug auf den Begriff der Nachhaltigkeit“, erklärt Oelmann. Die Anlagekriterien sind vielfältig. Und: Während einige Anbieter zum Beispiel mit Negativkriterien arbeiten, legen andere Positivkriterien zugrunde.

In Frankreich gilt Atomkraft als nachhaltig

Und selbst da ist die Definition dessen, was nachhaltig ist, nicht immer gleich: „Nehmen Sie das Beispiel Atomkraft“, sagt Claus Gruber von DWS, der Investmenttochter der Deutschen Bank. „In Deutschland ist das Thema negativ besetzt, in anderen Ländern wie Frankreich wird es genau andersherum bewertet.“ Universelle Kriterien zu finden, sei hierbei schwierig.

Ein weiterer Grund für die vergleichsweise geringe Verbreitung nachhaltiger Geldanlagen liegt im Finanzvertrieb. „Das ist häufig kein Thema bei der konventionellen Anlageberatung“, hat Verbraucherschützerin Oelmann festgestellt. Von sich aus bieten Finanzberater in Geldinstituten ethische, soziale oder ökologische Geldanlagen eher selten an. „Meist müssen die Kunden konkret nachfragen.“ Und selbst dann haben nicht alle Geldinstitute entsprechende Angebote im Programm.

In Norwegen legt ein staatlicher Fonds das Geld nach sozialen Kriterien an

Dass es auch anders geht, zeigt der Blick nach Norwegen: Der staatliche Pensionsfonds legt das ihm zur Verfügung stehende Geld nach strengen ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien an. Und das mit einigem Erfolg: Anfang 2014 erreichte der Fonds, in den ein Teil der Erlöse der norwegischen Ölförderung fließt, ein Volumen von 611 Milliarden Euro.

Damit verfügte jeder Norweger zu diesem Zeitpunkt rein rechnerisch über ein Vermögen von umgerechnet etwa 120.000 Euro. Insgesamt hält der Fonds inzwischen etwa ein Prozent der weltweit in Umlauf befindlichen Aktien.

Dass nachhaltige Kriterien bei der staatlich geförderten Altersvorsorge eine Rolle spielen, wünscht sich Annabel Oelmann auch für Deutschland. „Der Gesetzgeber könnte den Markt so positiv beeinflussen“, erklärt die Verbraucherschützerin. „Denn nachhaltige Geldanlagen leisten einen wichtigen Beitrag, zum Beispiel wenn es um die Finanzierung regenerativer Energien geht.“ Auch könnten Unternehmen auf diese Weise dazu bewogen werden, höhere Sozialstandards in die Firmenpolitik zu integrieren.

Das sieht Claus Gruber ähnlich. „Verantwortliches Wirtschaften und Investieren gewinnt an Akzeptanz“, erklärt der DWS-Sprecher. „Wir sind überzeugt, dass die Berücksichtigung von nachhaltigen Kriterien zu besseren Anlageentscheidungen führt.“ So investierten beispielsweise die gemanagten Fonds seines Hauses nicht in Unternehmen, die als Hersteller von völkerrechtlich geächteter Streumunition und Anti-Personen-Minen identifiziert wurden. Gesetzliche Vorgaben für die staatlich geförderte Altersvorsorge hält er aber nicht für nötig.

Vorsicht: Auch Grünanleger müssen rechnen

Und so bleiben Anleger bei der Suche nach entsprechenden Produkten weiterhin auf sich selbst gestellt. Vor der Entscheidung sollte sich ein Anleger drei grundsätzliche Fragen stellen: Wie hoch soll die Rendite sein? Wann soll das Geld zur Verfügung stehen? Und welches Risiko soll eingegangen werden? „Bei nachhaltigen Anlagen kommen noch ethische Aspekte dazu“, erklärt die FNG-Geschäftsführerin Claudia Tober. Hier gebe es drei Dimensionen: Umwelt- und ökologische Aspekte, soziale und gesellschaftliche Punkte sowie verantwortliche Unternehmensführung und Transparenz.

Einbußen bei der Rendite müsse bei nachhaltigen Finanzprodukten niemand befürchten. „Studien zeigen, dass Anleger damit die gleichen Renditechancen haben wie bei herkömmlichen Anlagen“, sagte Tober. Die Ertragschancen könnten sogar steigen, wenn die Faktoren Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung eine Rolle spielen. So ermittelte die Beratungsgesellschaft Mercer, dass von insgesamt 36 untersuchten Studien 20 einen positiven Zusammenhang zwischen Ertragschancen und ethischen Anlagekriterien belegen.