Augenoptiker sind erste Ansprechpartner und Berater für ihre Kunden bei der Brillenauswahl und beim -kauf

Gewagt sieht sie aus: rot und mit einer vorwitzigen Ecke am unteren Rand. Eine andere Brille mit ihrer breiten schwarzen Fassung wirkt wuchtig. Ungewohnt sind sie beide. Aber sehr schön leicht fühlen sich die Modelle auf der Nase an.

Bei der Wahl der richtigen Brille sind viele Aspekte zu bedenken. Sie muss mit ihren Gläsern und der Fassung optisch zum Gesicht passen. Ferner sind Form und Farbe ästhetische Kriterien. Außerdem spielt der Stil ihres Trägers eine Rolle. Ist er ein sportlicher, ein modischer oder eher klassischer Typ?

Der persönliche Stil sei am schwierigsten einzuschätzen, sagt Michael Renken von Optik Renken. „Wir sehen nur einen Ausschnitt aus dem Leben unserer Kunden, wenn diese beispielsweise im Anzug oder Kostüm erscheinen.“ Großen Wert legen seine Kunden auf eine ausführliche Beratung zur Brillenfassung. „Das kann dann leicht 90 Minuten dauern“, sagt Renken.

Kunden wissen häufig nicht, was es an Möglichkeiten, Materialien und Fassungen für ihre Brille gibt. Metallfassung oder lieber eine aus Kunststoff – wer möchte, kann auch echtes Horn vom indischen Wasserbüffel oder Holz wählen. Von solchen Gestellen fühlen sich Kunden angesprochen, die eine ausgefallene Brille, die nicht jeder trägt, bevorzugen. Da kann ein Exemplar schon mal mehrere Hundert Euro kosten, zum Beispiel die aus Wasserbüffelhorn 799 Euro. Was viele nicht wissen: Viele teure Designerbrillen werden in Billiglohnländern gefertigt.

„Ein vernünftiges Design in einer vernünftigen Qualität fängt bei 80 Euro an“, sagt Renken, der mit Absicht nicht die großen Designermarken führt wie Armani, Gucci, Chanel oder Dior. „In Hamburg sind keine Brillen mit Schmuckteilen oder Glitzersteinchen und großen Logos gefragt, sondern schlichte Modelle.“ Wer in dem großzügigen Geschäft an den minimalistisch dekorierten Brillenwänden keine geeignete für sich findet, kann auch eine Fassung anfertigen lassen. So eine Maßanfertigung kostet ab 600 Euro, und der Kunde muss sich bis zur Fertigstellung etwa sechs Wochen gedulden. Diesen Service bieten nicht viele Optiker an. Renken ist nach eigener Aussage in der Innenstadt der einzige.

Mit seinem inhabergeführten Geschäft gehört Michael Renken zu dem mit etwa 30 Prozent kleineren Teil von Optikern – der Markt besteht zu rund 70 Prozent aus Filialisten und Ketten. Insgesamt gab es 2013 bundesweit 12.000 augenoptische Betriebe. „Wer sich eindeutig positioniert und eine besondere Kompetenz aufweist, kann sogar Zuwächse verzeichnen“, sagt Renken, der sein Geschäft am Großen Burstah seit 2002 führt. Er selbst hat sich auf den modischen Aspekt beim Brillenkauf spezialisiert. „Wir sind häufig der erste Ansprechpartner für Menschen, die sagen: ‚Ich kann schlecht sehen und brauche eine Brille‘. Dann prüfen wir die Sehschärfe mit dem Autorefraktometer“, sagt der Augenoptikermeister. Die Kunden müssen dabei Zahlen und Buchstaben in unterschiedlichen Größen und Schärfen zu erkennen versuchen.

Stellt der Optiker Auffälligkeiten fest, empfiehlt er seinen Kunden, einen Augenarzt aufzusuchen. „Bitte nicht aufschieben“, sagt Michael Renken dann schon mal. Im besten Fall ergänzen sich Optiker und Augenarzt. Letzterer behandelt Sehprobleme am kranken Auge, während der Optiker mit Sehproblemen am gesunden Auge zu tun hat. „Der Augenoptiker behandelt keine Krankheiten und stellt auch keine Diagnose. Er muss ein Medizinprodukt, nämlich die Brille, abgeben und sich deshalb das Organ ansehen“, sagt Jan Wetzel, Geschäftsführer des Zentralverbands der Augenoptiker (ZVA). Dafür sei eine optometrische Untersuchung wichtig, die Auskunft über Augeninnendruck und Gesichtsfeld und somit Indizien für das Vorliegen einer möglichen Augenerkrankung gibt. Mit diesen Daten lässt sich klären, ob eine Brille – oder Kontaktlinse – überhaupt eine Sehhilfe sein kann.

„Es geht nicht darum, möglichst schnell eine Brille zu verkaufen, sondern um zufriedene Kunden“, sagt Wetzel. Verkaufe der Optiker seinem Kunden jedoch vorschnell eine Brille und dessen Sehvermögen verschlechtert sich danach derart, dass er operiert werden muss, sei die Brille ein Fehlkauf gewesen. „Auf der anderen Seite ist es unseriös, wenn ein Augenoptiker behauptet, er kann jedes Glaukom erkennen“, sagt Wetzel.

Da die Gläser immer auf die jeweilige Brillenfassung zugeschnitten werden müssen, braucht der Optiker bestimmte Daten wie die Einschleifhöhe bei Gleitsichtgläsern. Das ist der Abstand vom unteren Fassungsrand zum Fernzentrierpunkt des Auges. Daher ist bei Online-Brillen Skepsis angesagt. Die Einschleifhöhe kann ein Internethändler nur schätzen. „Daten, die für eine Gleitsichtbrille unerlässlich sind, werden nicht abgefragt“, sagt Wetzel. Zudem fehle außer der individuellen Messung bei Onlinehändlern eine anatomische Anpassung der Brille sowie eine Beratung. Auch Georg Eckert, Augenarzt und Sprecher des Berufsverbands der Augenärzte rät dazu, einen Optiker aufzusuchen, um sich die Brille individuell anpassen zu lassen.

Gegen kurzzeitiges Verwenden einer Fertiglesebrille ist laut ZVA nichts einzuwenden, zum Beispiel für den Blick auf die Speisekarte oder die Fernbedienung. Auch können durch das Tragen von Fertigbrillen aus der Drogerie oder Internetbrillen keine irreparablen Schäden der Augen entstehen. Dennoch kann die häufige Nutzung nicht richtig zentrierter Brillen zu Kopfschmerzen oder Doppelbildern führen. Mittlerweile gibt es Gerichtsurteile, die Warnhinweise wie „nicht für Nutzung im Straßenverkehr geeignet“ auf Internetbrillen verlangen, oder Urteile, die hierfür Werbeaussagen wie „erstklassige Optikerqualität“ verbieten.

Und woran lässt sich die Qualität eines Optikers erkennen? Auf keinen Fall an einer großen Auswahl an Marken und Brillenfassungen, sagt Jan Wetzel. „Die Qualität erkennt man an der Herangehensweise und einer ausführlichen Beratung sowie an den angebotenen augenoptischen Dienstleistungen.“ Zunächst muss der Augenoptiker den Bedarf des Kunden erfassen und deshalb viele Fragen stellen. Wofür wird die Brille gebraucht? Nur zum Lesen, Fernsehen oder am Computer? Zum Sport? Welcher Sport ist es? Wetzel: „In jedem Fall sollte ein guter Augenoptiker dem Kunden alle Möglichkeiten aufzeigen.“ Zum Beispiel spezielle Tönungen der Gläser zum Golfspielen.

Letztlich sei jedoch das Vertrauen zum Optiker entscheidend, sagt Michael Renken. Denn vieles kann der Kunde nicht wissen. Beispielsweise dass die Preise für Gläser bei Filialisten in etwa gleich hoch sind wie in inhabergeführten Fachgeschäften. „In beiden kosten die besten Marken-Gleitsichtgläser rund 700 Euro.“