Erbschaft, Trennung, Nachbarschaftsstreit – Mediation ist häufig der bessere und zudem kostengünstigere Weg für beide Parteien als ein Prozess

Jährlich enden mehr als eineinhalb Millionen Streitfälle deutschlandweit vor dem Zivilgericht. Hinzu kommen gut 670.000 Klagen vor dem Familiengericht sowie ungefähr 800.000 Klagen vor dem Arbeitsgericht. Ein Gerichtsverfahren ist oftmals für Kläger und Angeklagte psychisch sehr belastend – und finanziell aufwendig obendrein. Mediation, so der Fachbegriff für ein anerkanntes Verfahren zur Konfliktlösung, kann vorher helfen, schneller zu einem Ergebnis zu kommen.

Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft beider Parteien, sich darauf einzulassen. Der Mediator oder die Mediatorin bringt die zerstrittenen Parteien dazu, selbst Lösungen zu erarbeiten, die zur beiderseitigen größtmöglichen Zufriedenheit führen. Dabei verhält sich der Mediator absolut neutral und sorgt dafür, dass beide Parteien auf Augenhöhe miteinander sprechen können. Er ist wertungsfrei, richtet nicht und verurteilt niemanden. Auch wenn das Ziel das Erreichen einer Win-win-Situation mit verbindlichen Absprachen ist, müssen die Parteien diesen Weg selber gehen – und der ist oft mühevoll.

Das erste Gespräch bei der öffentlichen Rechtsauskunft ist kostenlos

Mediation wird vor allem bei familiären Konflikten wie Trennung, Scheidung, Umgang mit den Kindern und bei Erbschaftsfällen angewendet. Doch auch in der Schule, am Arbeitsplatz, in Politik und Wirtschaft und bei Immobilienkonflikten vermitteln Mediatoren.

Bei der ÖRA, der öffentlichen Rechtsauskunft und Vergleichsstelle, wird seit 1996 Mediation auch Menschen ohne großen finanziellen Ressourcen angeboten, überwiegend im familiären Bereich sowie bei Arbeits- und politischen Konflikten. Das erste Informationsgespräch ist hier immer kostenlos. „Wir nehmen uns eine gute Stunde Zeit, um nur darüber zu sprechen, ob das, was die Parteien brauchen, zu dem passt, was wir anbieten. Manchmal empfehlen wir alternativ beispielsweise eine Paartherapie“, sagt Dr. Monika Hartges, Leiterin der ÖRA.

Nach dem ersten Gespräch entscheiden sich drei Viertel der Ratsuchenden für eine Mediation. Dafür stehen bis zu 15 ehrenamtliche Mediatoren zur Verfügung, allesamt erfahrene Volljuristen mit abgeschlossener Mediationsausbildung. Manchmal sind nur zwei Sitzungen nötig, bei komplizierten Trennungsgeschichten können es auch sieben sein. „Das Problem ist es, den Sack wieder zu schließen“, sagt Dr. Monika Hartges. „Die Menschen müssen aus den gegenseitigen Schuldzuweisungen wieder herauskommen.“ Oft nehmen Frauen die (Ex-)Männer mit, die dann sehr skeptisch sind. „Die wollen nicht so viel Gerede und erst recht keine Therapie“, sagt Monika Hartges. „Doch nach sehr kurzer Zeit merken sie, dass Mediation ein sehr strukturiertes, zielorientiertes Verfahren ist. Da werden dann wiederum die Frauen skeptisch – weil sie eben nicht alles loswerden können, was sie schon immer über ihre Männer sagen wollten.“ Die Mediatoren signalisieren beiden Seiten ihr Verständnis und haben dadurch im vergangenen Jahr mehr als 80 Prozent der Mediationen der ÖRA zu einem erfolgreichen Ende gebracht.

Für Wirtschaftskonflikte hält die Handelskammer 100 Mediatoren bereit

Auch in der Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte bei der Handelskammer Hamburg gibt es die Möglichkeit, für Wirtschaftskonflikte einen der über 100 gelisteten Mediatoren zu beauftragen. „Je höher der Streitwert, desto kostengünstiger wird die Mediation im Verhältnis zu den staatlichen Gerichten“, sagt Henning Raddatz, Referent an der Handelskammer Hamburg (www.hk24.de). Oft geht es um Streitigkeiten innerhalb eines Unternehmens oder um Auseinandersetzungen mit Geschäftspartnern.

„Wenn beide Parteien voraussichtlich noch lange ihre Geschäfte miteinander führen wollen, ist ein Mediator hier sehr nützlich. Jeder kann sein Gesicht wahren, was der Fortsetzung einer konstruktiven Zusammenarbeit sehr förderlich ist“, sagt Raddatz. Oft gibt es auch Probleme bei der Unternehmensnachfolge: Der Vater hat die Firma aufgebaut, der Sohn soll sie übernehmen – bekommt aber kaum Verantwortung und wird von der Belegschaft nicht als Chef akzeptiert. Das ist ein klassischer Fall für eine Wirtschaftsmediation.

Ein Grundkonsens über die Durchführung sollte allerdings vorhanden sein, denn das normale Stundenhonorar liegt zwischen 150 und 350 Euro netto, der Tagessatz zwischen 1200 und 2800 Euro netto. Die Akzeptanz einer im Rahmen der Wirtschaftsmediation getroffenen Vereinbarung ist dafür zwischen den Parteien sehr groß.

Streitigkeiten im Grundstücks- und Mietrechtsschutz inklusive Nachbarschaftskonflikten sind seit Jahren die zweithäufigsten Klagefälle bei der ARAG. „Gerade für Wohnungseigentümergemeinschaften und Wohnprojekte ist Mediation sinnvoll, denn man wird noch lange Zeit miteinander leben“, sagt Ricarda Breiholdt, Juristin und Immobilienmediatorin. Ein spezielles Handwerkszeug helfe, schneller und wirtschaftlich sinnvoller zu Lösungen zu kommen. „Wenn absehbar ist, dass zwei Jahre Lebenszeit und -energie für ein Verfahren verschwendet werden, das mit ziemlicher Sicherheit für beide Seiten unergiebig enden wird, kann man das mithilfe einer Mediation zu einem guten Ergebnis führen.“ Auch beim Erbe um eine Immobilie wird oft gestritten. „In dem Moment, in dem sich ein Miterbe ungerecht behandelt fühlt, geht der Streit los“, sagt Breiholdt. „Die Ursachen liegen oft in Kindheitsmustern und haben nichts mit dem Erbe zu tun.“