Man sieht es ihnen gar nicht an – aber die drei Mehrfamilienhäuser auf dem Areal des alten Güterbahnhofs in Barmbek sind Massivbauten aus Holz. Im Inneren sind verleimte Brettschicht-Platten verbaut.

„Das Wohngefühl hier ist super!“ Martin Schlecht ist begeistert von seinem neuen Zuhause auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs in Barmbek. Das liegt nicht nur an der günstigen Lage mit S-Bahn-Anschluss und Blick in den Stadtpark. Entscheidend ist vielmehr das Gebäude. Die Maisonette-Wohnung der Familie liegt in einem von drei viergeschossigen Holz-Massivbauten, die derzeit neue Trends in Hamburgs Baukultur setzen.

„Wir hatten schon Erfahrung mit Gebäuden in Holzrahmenbauweise. Doch der Holz-Massivbau mit verleimten Brettschicht-Platten war auch für uns etwas Neues, vor allem seine Anwendung für mehrgeschossige Bauten“, sagt Architekt Neil Winstanley vom Hamburger Büro Spine architects. Das Experiment war erfolgreich – von der Genehmigung bis zum fertigen Objekt. „Bereits die Baugenehmigung haben wir in sehr überschaubarer Zeit ohne Prüfeinträge zurückbekommen. Da schien alles stimmig zu sein“, resümiert Winstanley. Auch die Geschwindigkeit des Aufbaus sei sehr gut gewesen. „Nachdem der Betonbauer mit Keller und Treppenturm fertig war, hat der Rohbau des Holzes drei Wochen gebraucht. Davon zwei Wochen für die Montage und eine Woche für das Verschrauben“, erinnert sich der Architekt.

Mehr Wohnfläche für das gleiche Geld

Alle Bauteile wurden im Werk entsprechend der Vorgaben vorgefertigt. „Dabei hat uns besonders die Präzision gefallen. Bestellt man Fenster oder Wände in einem bestimmten Maß, dann wird auch genau so geliefert.“

Elf Wohnungen wurden in den insgesamt drei Neubauten realisiert. Das Projekt wird getragen von einer Baugemeinschaft. „Von der Idee bis zum Einzug hat es zweieinhalb Jahre gedauert“, sagt Martin Schlecht. „Da lernt man sich mit allen Stärken und Schwächen kennen.“ Das Resümee ist trotzdem mehr als positiv. Allein die unterschiedlichen berufsbedingten Perspektiven bereicherten die Planungen für die Wohnungen. „In unserer Baugemeinschaft reicht das Spektrum vom Architekten und Solaringenieur über den Händler für erneuerbare Energie, Piloten, IT-Fachmann bis hin zum Arzt und Bühnenbildner. Alle verbindet die Familiensituation. „Im Dezember kam das 18. Kind auf die Welt“, sagt Schlecht. DieGruppe hat schnell einen guten harmonischen und pragmatischen Umgang miteinander gefunden. Jetzt hat jeder sein Eigentum in dem Komplex. Bei den Gemeinschaftsflächen, den Dachterrassen und dem Garten muss man sich arrangieren. „Ich bin zuversichtlich, dass wir auch das gut hinbekommen“, sagt Schlecht.

Essenziell für alle Beteiligten war von Anfang an die Entscheidung für Holz als Baumaterial. Aus Kostengründen mussten Planer und Bauherren aber auf eine Fassade aus Holz verzichten. „Wir konnten das Ökologische nicht bis zum letzten Detail durchziehen, da es auch wichtig war, die Häuser gut zu isolieren. Ein Wärmedämmverbundsystem ist ein Kompromiss, der zwar nicht alle Holzbauansprüche erfüllt, aber definitiv kostenmäßig in einem vernünftigen Rahmen liegt“, erläutert Architekt Winstanley die Gründe. Er bewohnt selbst eine der elf Einheiten.

Jede Wohnung hat einen großen Erkerraum und eine große Terrassenverglasung. In Martin Schlechts Wohnung ist viel helles Holz sichtbar. „Die zwölf Zentimeter dicken Massivbauwände erinnern ein wenig an Lego- Bausteine“, sagt Schlecht und lacht.

Die Heizenergie kommt als Fernwärme in die Häuser. Das ist Teil des Bebauungsplanes. In den Wohnungen selbst gibt es eine Fußbodenheizung. Für die Warmwasseraufbereitung sind zusätzlich Solarkollektoren auf den Dächern vorhanden. Eine dezentrale Raumlüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt dafür, dass stets angenehm temperierte frische Luft die Wohnungen füllt. „Die Wohnqualität stimmte vom ersten Tag an. Das hat vor allem einen Grund: Die massiven Holzwände sind bei Lieferung trocken. Es gibt keinen feuchten Beton“, sagt der Architekt.

Gute Akustik

Jan Gerbitz vom Hamburger Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt (Zebau GmbH) nennt weitere Vorteile des Baumaterials: „Die Akustik ist viel besser als in einem vergleichbaren Stahlbetonbau. Schall- und Brandschutz lassen sich zudem bei guter Planung im Holzmassivbau sehr gut realisieren. Um die Auflagen zu erfüllen, werden Wände und Decken einfach akustisch getrennt. Und für den Brandschutz wird das Material auf Abbrand bemessen: Holz verkohlt mit berechenbarer Geschwindigkeit und hat damit ein kalkulierbares Brandverhalten, damit unterscheidet es sich maßgeblich von Stahl oder Beton.“

Vorteile biete Holz auch für die Statik, so der Experte weiter. Große Spannweiten, weite Öffnungen, auskragende Erker – all das sei beim Bauen mit Brettsperrholz möglich. Die statischen Eigenschaften kommen den Bewohnern zugute. In den meisten Wohnungen sind Küche, Ess- und Wohnbereich offen angelegt.“

Das Kohlendioxid im Holz bleibe für Jahrzehnte im Gebäude gebunden, der Energieverbrauch zur Herstellung der Bauelemente sei gering im Vergleich zu Stahl oder Beton. „Die Bauherren des Woodcube auf dem IBA-Gelände verzichteten sogar noch auf Leim und Folien und verwendeten nachwachsende Dämmstoffe. Zudem sind hier alle Holzbauteile nur mit Dübeln verbunden“, wie Gerbitz betont.

Bleibt die Frage nach den Baukosten. Auch hier punktet der Holz-Massivbau. „Sie sind mit konventioneller Bauweise vergleichbar. Da wir aber geringere Wandstärken von nur zwölf Zentimetern haben, gibt es für das gleiche Geld mehr Wohnfläche“, sagt der Architekt. Bei Beton betrage die Wandstärke mehr als das Doppelte.

Gutes spricht sich herum. So hat sich aufgrund dieses Projekts bei Spine architects bereits ein weiterer Bauherr gemeldet, der auch unbedingt in Holz bauen möchte. Für den realisieren die Holzbau-Experten in Ahrensburg jetzt ein Haus mit sechs Wohneinheiten. Und dabei wird es sicher nicht bleiben.