Flora und Fauna ziehen immer mehr in unsere vier Wände ein – wenn auch leicht verändert. Das zeigt eine Wohnmesse in Frankfurt mit Ausblick auf den Herbst. Zwei Expertinnen verwundert dies nicht. Sie erklären die Hintergründe.

Jedes Jahr sind auf den Wohnmessen viele Trends zu sehen. Die meisten verschwinden schnell wieder, einer hält sich jedoch nun schon seit Längerem – und bekommt jedes Jahr sogar Zuwachs: Figuren und Formen aus dem Wald sind der Renner unter den Dekorationsartikeln. Es begann mit Eulen, zu ihnen gesellen sich inzwischen Rehe und Singvögel. In diesem Jahr kommt der Fuchs hinzu, berichtet die Trendanalystin Nicolette Naumann von der Messe Frankfurt. „Das Thema Wald ist überraschenderweise ein sehr haltbarer Trend geworden“, sagt Naumann. „Sogar am Schmuck sieht man jetzt Eicheln und Tannenzapfen als Anhänger.“

Die Tierfiguren sind vornehmlich in zwei Weisen zu sehen: zum einen grafisch vereinfacht und in geometrische Formen gepresst – zum Beispiel das Gesicht des Fuchses als Dreieck. Auch Pilze und Tannenbäume bieten sich für diese Stilrichtung gut an. Zum anderen wirken die Waldbewohner, als wären sie einem Kinderbuch entsprungen, vergleicht Naumann. Sie vermutet den Grund für diese Art der Darstellung in einem Verlangen der Menschen nach allem, was natürlich ist.

Denn die Mehrheit der Deutschen wohne in einem Ballungsraum und erlebe Natur nicht mehr im Alltag. Daher habe sich eine Sehnsucht nach Feld, Wald und Wiese – und eben den darin vorkommenden Figuren eingestellt. „Aber die Natur ist auch etwas Unrealistisches geworden“, sagt die Trendanalystin. Der Mensch muss sie sich bewusst ins Haus holen – und das wirke künstlich. Daher werden die Tiere und Pflanzen eher so dargestellt, wie sie in der Realität nicht vorkommen: „Mit einer leicht kindlichen Note, wie aus einer Illustration in einem Kinderbuch.“

Außer diesen Figuren kommen immer mehr echte Pflanzen ins Haus, berichtet Naumann. Entsprechend kümmere sich die Branche vermehrt um innovative Pflanzgefäße. So gibt es zum Beispiel über Kopf hängende Modelle und solche aus Metall und anderen hochwertigen Materialien. Dass der Trend zurück zur Natur bald wieder vorbei ist, erkennt die Expertin nicht. „Ich habe erwartet, dass die Eulen nach zwei, drei Jahren verschwinden. Doch stattdessen hält der Trend weiter an und weitet sich immer mehr aus.“

Die Rückbesinnung auf Natur ist ein Versuch der Entschleunigung

Wohnpsychologin Barbara Perfahl wundert diese anhaltende Rückbesinnung auf die Natur nicht. „Sie ist vor allem bei Städtern zu beobachten und ist als Versuch zu werten, den Alltag zu entschleunigen“, sagt die Expertin. Wohnen sei ein „hoch emotional geprägter Bereich.“ In den eigenen vier Wänden sei es wichtig, einen Raum zu finden und zu gestalten, der den Rückzug erlaube.

Im Laufe ihrer Wohn- und Einrichtungsberatung, so die Diplom-Psychologin, habe sie viele Mal erlebt, dass die Menschen sich eigener Wohnbedürfnisse nicht klar seien. „Das macht sich dann in einer diffusen Unzufriedenheit über die eigene Wohnsituation bemerkbar.“ Statt loszuziehen und planlos neue Möbel und Accessoires zu kaufen, rate sie, sich zunächst eigener Prägungen bewusst zu werden. „Viele unterschätzen den Einfluss durch das Elternhaus“, sagt Perfahl, die über ihre Homestaging-Agentur im nördlichen Niedersachsen, Kunden Beratung anbietet.

Schon mit kleinen Maßnahmen ließe sich viel erreichen. „Möglicherweise müssen nur die Möbel umgestellt werden oder Dinge, die einem wichtig sind und positive Gefühle auslösen, mehr ins Blickfeld gerückt werden“, sagt die Einrichtungsexpertin. „Das kann ein Stein oder eine Muschel sein, die man während eines Strandspazierganges gefunden hat. Oder ein Foto, das an schöne Stunden erinnert.“ Angst davor, die Grenze des Geschmackvollen zu überschreiten, brauche keiner zu haben, sagt Perfahl. „Erlaubt ist, was gefällt.“ Insofern sollte man den Begriff „Nestbauer“ nicht zu eng fassen. „Für den einen bedeutet dies, eher in einem spärlich eingerichteten Industrie-Loft zu leben, für den anderen in einem Haus mit vielen Stoffen und warmen Farben.“

Eng gefasst ist auch schon lange nicht mehr die Weihnachtsdekoration, wie die Messe Tendence zeigt. Statt christlicher Symbole wie Engel und Tannenzapfen zieren Feen, Schlitten, Katzen und sogar Bierkrüge als Anhänger die Tannenbäume. „Sie können sich sogar mittlerweile einen Sex-and-the-City-Baum mit hochhackigen Schuhen ins Wohnzimmer stellen“, sagt Trendbeobachterin Nicolette Naumann.